Zurück zu Inhalt

13. Tag, Kverkfjöll

Inhalt Home

Copyright © 2003 Dieter Graser

Dienstag, 29. Juli 2003


Wieder ausgeschlafen. Nach dem Frühstück verabschiede ich noch Ralf und Olaf. Sie wollen heute zur Askja nach Hütte bei Dreki radeln: möge der Wind schwach sein und der Sandsturm sie verschonen. Die Ungarn legen heute einen Ruhetag ein und sichten die Unmengen an Material und Futter für ihre Vatnajökulletappe das sie in großen Kartons verpackt hier erwartet hat. Ich beschließe einen Ausflug zu den Íshellir, dem Gletschertor des Kverkjökull, zu unternehmen.

Es ist 10:30 Uhr als ich aufbreche. Habe in der Deckeltasche des Rucksacks, der sich zu eine Hüfttasche umfunktionieren läßt, ein paar Müsliriegel, etwas Brot, den Rest der original ungarischen Salami und eine kleine Wasserflasche dabei. Anstatt der Piste nehme ich den Pfad entlang der Wasserleitung für die Versorgung der Hütte. Kurz vor dem "Parkplatz" am Ende der Piste muß ich barfuß einen Gletscherbach furten. Hätte meine Sandalen mitnehmen sollen. Am Parkplatz steht der Bus einer Gruppe welche die "Fire and Ice" Tour gebucht hat. Oben, an den Langafönn, den weiten Schneefeldern in der oberen Hälfte der westlichen Kverkfjöll, kann ich sie als kleine Punkte erkennen.

Kverkfjöll
Das Wetter ist gut und es ist ja auch noch nicht zu spät. Also beschließe ich doch aufzusteigen. Der Weg über den Kverkjökull ist klar. Direkt vom Parkplatz aus steige ich, von unten gesehen, erst über den spaltenfreien linken (östlichen) Teil des Kverkjökull zum oberen Ende der markanten Mittelmoräne auf. Dann quert man auf den rechten Teil unter eine kleinen Eisbruch und steigt dann schräg, flach hinauf zur westlichen Randmoräne. In diesem Bereich gab es einige gut sichtbare Spalten, die zu umgehen kein Problem war. So abwechslungsreich der Gletscher ist, um so mehr zieht sich dann der lange Anstieg diagonal über Langafönn. Trotz Minimalgepäck stapfe ich eine Stunde durch den nachmittäglich weichen Schnee. Zwei Felsinseln bieten sich als Zwischenziele an und gliedern den Anstieg etwas. Am Ende des Schneefeldes erreicht man den Westabruch der Kverkfjöll und die ersten heißen Quellen mit spektakulären Schneeformationen und unglaublichen Farben des Bodens.

Kverkfjöll
Die "Fire and Ice" Gruppe kommt mir in Abstieg entgegen. Von den Teilnehmern bekomme ich nicht einmal ein Nicken als Erwiderung auf eine Gruß. Die Führerin der Gruppe proviziere ich schon fast gewaltsam mir einem "gošan dagin", worauf sie etwas verschreckt reagiert. Einzig ein holländisches Paar scheint mich vom Vorabend wiederzuerkennen und wir wechseln ein paar freundliche Worte. Ein Lichtblick nach all den Stoffeln. Ein einzelner Photograph, der Ausrüstung nach wohl eher ein Profi, widmet sich geduldig seinem Motiv, einem eigenartigen, kleinen Seelein von intensiv roter Färbung.


Panorama Kverkjöll

Aber auch der Photograph bricht bald auf und ich bin allein mit einer Fülle von einzigartigen Motiven mit den Kontrasten von blendendem Schnee, gelblich, ockerfarbenen Lehmboden, roten Felsen, weißen Dampffahnen und einem tiefblauem Himmel. Der starke Südwestwind treibt gelbliche Staubfahnen aus dem großen Binnensander der Jökulsá á Fjöllum zur Askja. In der Ferne der Heršubreid in seiner charakteristischen Form. Über tausend Meter tiefer liegt die riesige Zunge des zerklüfteten Dyngjujökull. Der Gletscher ist deutlich spaltenreicher als der Brúarjökull und bei der Vorstellung solche Eisverhältnisse anzutreffen kratzt man sich schon bedenklich am Kinn. Die Erklärung der unterschiedlichen Eisverhältnisse ist wohl der Surge (Gletschervorstoß), der sich vor zwei Jahren am Dyngjujökull ereignet hat.

Steige noch weiter dem Grat folgend an, denn ich will mir auch noch die Hütte des Vereins der Isländischen Gletscherforscher JÖRFÍ anschauen. Der Schnee ist nun weicher und tiefer. Von Westen her weht ein starker und kalter Wind. Habe die Anorakkapuze geschlossen und trage Handschuhe. Tiefblick in die Hveradalir, die "Täler der heißen Quellen". Es sind nicht nur Wolken die da aus der steilen Westflanke der Kverkfjöll herauftreiben, sondern auch Dampf der dort allenthalben und in großen Mengen zischend und fauchend aus den Hängen tritt.

JÖRFÍ Hütte
Immer wieder wird der Berg von Wolken verschluckt und Schnee und Himmel verschwimmen in konturlosem Weiß. Auf der Südseite des weiten Gipfels kann ich endlich die Hütte erkennen. Sie steht etwa 50 m tiefer auf einer Felskuppe des hier zweigeteilten Grates durch dessen höheren Teil sie von Westen her etwas geschützt wird. Vom höheren Teil des Grates kann ich die Hütte mit dem Gletschersee als Hintergrund photographieren. Bevor mich aber der Wind vom Grat fegt klettere ich schnell zur Hütte ab. Die Hütte ist unverschlossen, hat einen kleinen Vorraum, sechs Schlafplätze in Stockbetten und einen kleinen Tisch unter dem einzigen Fenster. Während ich Brotzeit mache, lese ich im Hüttenbuch. Auch wenn die Kverkfjöll oft bestiegen werden, bis zur Hütte kommen, zumindest dem Hüttenbuch nach, wohl deutlich weniger Besucher. Einige sehr interessante Einträge. Natürlich auch der von den Alpinheroen der Bergwacht Nürnberg "Expedition" 2000 . Eine italienische "Vatnajökull Express" Expedition hat sich den Namen wahrhaft verdient. Sie gingen immerhin in nur zweieinhalb Tagen vom Skálafellsjökull zu den Kverkfjöll! Dann waren am 14. Juli der Kanadier Bruce Kirkby, ein Outdoorprofi aus Calgary, der mit seiner Freundin Island auf längstmöglichen Route von Nordost nach Südwest, durchquert hat. Von den Kverkfjöll aus sind sie dann über den Vatnajökull nach Jökulheimar. Ein paar Bilder ihrer Tour finden sich hier auf Bruce Kirkby's Homepage.

Langafönn
Hinterlasse noch einen Gruß an die Ungarn, die morgen mit ihrem ganzen Material zur Hütte aufsteigen wollen. Um 16:15 mache ich mich dann auf den Rückweg und steige über das nun schon ziemlich aufgeweichte Schneefeld der Langafönn zum Gletscher ab. Vier Stunden nach meinem Aufbruch erreiche ich wieder die Siguršarskáli Hütte. Beim Abendessen in der Hütte setze ich mich zu den beiden freundlichen Holländern. Die Ungarn kommen erst später und tafeln an einem etwas zugigen Tisch vor der Hütte. Ich geselle mich dazu und steuere den Nachtisch in Form einer "Mousse au Chocolat" bei. Für so eine Gelegenheit war diese Leckerei in meinem Fresspacket gedacht. Prompt ergänzen sich im Gegenzug meine Salamivorräte.


Zurück zu Inhalt
nächster Tag