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8. Tag, Veišivötn

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Copyright © Dieter Graser

Freitag, 23. Juli 1999


Um 7:00 Uhr ein Gang zum Waschhaus. Mit Sacha zusammen gefrühstückt. Er macht sich dann wieder auf den Rückweg nach Landmannalaugar. Diesmal über die Piste - vielleicht ergibt sich eine Mitfahrgelegenheit. Bei mir steht heute Ruhetag auf dem Programm. Ich ziehe mich wieder in den Schlafsack zurück und genieße die Ruhe des Vormittags mit einem tiefen Schlaf bis gegen 11:00 Uhr. Dann träge an den Aufzeichnungen und Mittags Brotzeit mit Hangikjöt. Draußen ist es deutlich weniger windig, aber immer noch ziehen dunkelgraue Wolken aus Südosten heran und bringen Nieselregen, der sich dann und wann zu einem Schauer verstärkt. Werde am Nachmittag einen kleinen Erkundungsgang unternehmen und danach entscheiden, ob ich ins Zelt umziehe oder nicht - schließlich droht das Wochenende.

Leimkrautpolster

Beschließe in eine andere Nische des Lagers umzuziehen, in der ich auch bei größerem Andrang etwas für mich bin. Gerade noch rechtzeitig, denn schon kommen 6 Wikinger hereingerumpelt und blicken sich nach Schlafplätzen um. Danach zahle ich bei den Wärtern die 500 Kr. für die zweite Übernachtung und mache einen Spaziergang in die Umgebung. Nördlich der Hütte ist eine sehenswerte Reihe von kleinen Kratern. Sie messen nur wenige bis etwa 20 Meter. Dann hinauf zur Mišmorgunsalda mit der auf einer kleinen Säule angebrachten Panoramascheibe. Heute sollte man die Sicht von vorgestern haben, denn hinter der ersten Hügelkette verschwimmt alles in trübem Grau. In einer weiten Schleife dann zurück zum Tjaldvatn. Am See noch die alte Hütte Tjarnarkot besichtigt. Zurück zur neuen Hütte, denn es regnet wieder deutlich heftiger.

Tjarnarkot

Ein neuer Ankömmling ist eingetroffen. Sein Rucksack weist ihn als Wanderer aus, aber ich habe noch niemanden gesehen, der in Island mit einem Regenschirm unterwegs ist! Und so mache ich die bemerkenswerte Bekanntschaft mit Karl Gunnarson - kein "vitlaust útlendingar", sondern Isländer und gerade auf dem Weg von Nżidalur über Jökulheimar nach Landmannalaugar. Also im Prinzip auf meiner Route, aber nur eben in Gegenrichtung. Er sitzt noch neben seinen triefenden Schuhen im Vorraum und sofort sind wir am Fachsimpeln. Eine Dame aus den "besseren Zimmern" der Hütte bietet ihm einen Whisky an und weil ich quasi auch dazugehöre, bekomme ich nach kurzem Zögern auch einen. Danke schön - "vertu žaš aš góšur!" Karl vertritt eine etwas andere Wanderphilosophie als ich. Er ist "Minimalist", wie er lächelnd gesteht und hat nicht einmal ein Zelt dabei. Nur einen GoreTex Biwacksack in dem er sich mittels eines kleinen Gestängebogens etwas Kopffreiheit verschafft. Seine ganze Ausrüstung wiegt nur 17 kg und er versucht schnell zu sein. Das ist der Unterschied. Er ist die 35 km von Jökulheimar hierher an einem Tag gespurtet und ich werde mir das auf 2 Tage verteilen. Wir verstehen uns prächtig.

So nebenbei erfahre ich, daß er bei Órkustofn arbeitet und natürlich kennt er auch Jósef und Einar. So erfahre ich eine Reihe von Geschichten wie diese, daß einer usnser gemeinsamen Bekannten als Füher einer Gruppe in einem Schneesturm am Fimmvöršuháls als einziger verlorenging und eine kalte, stürmische Nacht in seinem Biwaksack verbringen mußte und sich diese saure Zeit nur mit seinem Minitransistorradio verkürzen konnte. Das Radio empfing aber nur einen einzigen Sender. Seit dieser denkwürdigen Nacht gibt es in Island einen weiteren bekennenden Freund der italienischen Oper ... und der Geschichten mehr.

Karl ist auch Mitglied der Jökulrannsóknar, des Verbandes der isländischen Gletscherforscher. Auch er hat keinen Schlüßel dabei und hat in der Ruine eines Ölaufbewahrungsschuppens genächtigt. Habe ihm meine Geschichte über das verpatzte Treffen mit Ástvaldur erzählt und mit der Verwechslung mit "Dalsbraut eitt/eight". Und da fragt mich doch Karl: "do you know that he is a barber?" Und ich stand vor der Dalsbraut Hausnummer eins und links war ein Pizzaservice, rechts eine Wäscherei und in der Mitte ein Friseurgeschäft. Habe mich nach etwas Überlegung beim Pizzaervice erkundigt, in der irren Meinung, die müßten sich in Adressen am besten auskennen. Falsch, Friseure sind viel besser informiert, hätte ich mir doch denken können, manche sind sogar Gletscherforscher!

Beim Abendesen verschwindet Karl ins Parterre, kommt mit einer viertel Forelle zurück und meint entschuldigend "... sorry, I was invited" - der Glückspilz. Das ganze Haus ist schließlich voller Angler und überhaupt dreht sich hier doch alles ums Fischen. Ich mampfe derweil meinen Jägertopf. Ich bin fast fertig und schon ziemlich satt, da erscheint einer der Angler (offensichtlich Norddeutscher) und fragt ".. ist da nicht auch ein Deutscher der zu Fuß hierhergekommen ist?" Er bringt uns noch einen große, duftendeForelle, gefüllt mit Tomatenscheiben und in Alufolie eingeschlagen gegrillt. Ich wage es nicht abzulehnen und wir teilen uns den vorzüglich schmeckenden Fisch. Wir sitzen noch bis 23:00 Uhr zusammen und ratschen, dann wird es Zeit zu schlafen. Die Wolken liegen fast auf und es regnet noch immer. Ich stöpsele mir die Ohren zu und hoffe trotz etlicher weiterer Gäste auf eine ungestörte Hüttennacht.


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9. Tag Veišivötn - Hraunvötn