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Werde durch wiederholtes Zuschlagen von Autotüren geweckt. Jemand belädt schon zu früher Stunde seinen Geländewagen -
ob die zuhause auch alle Türen so zuschmeißen? Es ist zeitweise neblig, aber das wird sich sicher noch auflösen. Bin
kurz vor 8:00 Uhr fertig mit frühstücken und zusammenpacken. Werde auf dem Parkplatz noch von einem Vorarlberger, der
mit seinen beiden Söhnen in einem Geländewagen unterwegs ist angesprochen. Sein Sohn hat ihn auf meine Webseite aumerksam
gemacht. So ist es dann Punkt 8:00 Uhr als ich Hveravellir verlasse.
nota bene!
Reitweg
Blanda
Nach einem herzlichen Abschied mache ich mich auf den Weg zu der nur 2 km entfernten Furt am Svartakvísl. Trotz seines Namens
ebenfalls ein Gletscherfluß. Weniger breit, hat er aber eine etwas stärkere Strömung als die Blanda. Damit wären die kritischen
Furten auf dieser Route geschafft. Hätte sich einer der beiden Flüsse als als nicht querbar erwiesen, wäre es ein leichtes
gewesen zur Kjölurpiste zurückzugehen. Nun ist es 14:00 Uhr und die 6 km bis zum Herjólfslækur schaffe ich heute noch gut.
Auf der Tundrenebene zum Höhenzug Draugaháls stehen keine Warten. Der Grund ist offensichtlich: es gibt hier keine Steine die
als Baumaterial dienen könnten. Erst am Draugaháls tritt wieder Gestein zu Tage und prompt begleiten schöne, in hundert Meter
Abstand, gebaute
Warten den Weg. Komme an dem einsamen Pferch vorbei an dem ich einmal eine kuriose Begegnung mit einer Herde halbwilder
Pferde hatte. Sie kamen über einen Hügel direkt auf mich zu galoppiert, zogen zwei Kreise um mich und verschwanden wieder über den
Hügel. Ein perfekt inszenierter Indianderüberfall - nur eben ohne Reiter - die haben sich einfach einen Spaß mit mir gemacht!
Seit der Blanda gehe ich im Anorak. Der Rückenwind treibt erst nur feinen Niesel mit sich. Jetzt ist richtiger Regen daraus
geworden und ich bin froh darüber, daß ich den Herjólfslækur schneller als gedacht erreicht habe. Der Bach führt klares
Wasser und an seinem Ufer finde ich auf einer schmalen Terrasse eine ebene Stelle für das Zelt. Ebene Stellen sind hier nicht
leicht zu finden. So flach die Landschaft auch ist, sie besteht aus einer Unzahl kleiner Buckel oder Steinen. Um 16:00 Uhr ist
das Zelt trockengewischt und eingerichtet. Nach einem heißen Tee und etwas Schokolade dämmere ich für ein Stündchen weg. Wache
erst auf weil mir neben dem Schlafsack kalt wird. Zum Abendessen Jägertopf. Dann erledige ich die Aufzeichnungen. Gegen 21:00
Uhr eine viertelstündige Regenpause. Nutze sie um einen dringenden Gang nach draußen zu erledigen. Der Himmel ist grau,
naß und dämmrig. Im Zelt habe ich meine Kerzenlaterne aufgehängt, sie schafft ein gemütliches Ambiente, wie sie da unter dem
Zelthimmel baumelt. Es regnet wieder. Werde noch etwas lesen.
Auf dem Weg zur Kjölurpiste überholt mich noch ein Frühaufsteher mit seinem Geländewagen, aber ab dann bleibe ich ungestört.
Lege auf der Piste ein gutes Tempo vor. Bin ausgeruht und motiviert. Der Himmel ist bedeckt und grau. Westlich der Piste sind
einige Warten des alten Reitweges zu erkennen. Vorbei am Dúfunefsfell. Ein Schild "No Off Road Driving" steht einsam am
Wegesrand - natürlich hat sich einer das Schild von allen Seiten genauer anschauen müssen und ist, eine tiefe Spur ziehend,
drumherumgekurvt. Der kam sich wahrscheinlich richtig toll vor!
Knapp 2,5 Stunden nach dem Aufbruch erreiche ich an der Brücke über die Seyðisá den Wegweiser der zur Blönduvað zeigt. Hier
verlasse ich die Kjölurpiste und folge dem alten Reitweg und einer parallel verlaufenden, erdigen Jeepspur. Der Reitweg hat
bis zu 10 Spuren. Teilweise sind sie schon wieder zugewachsen. Aber man kann erkennen, daß hier noch, oder besser: wieder, große
Pferdeherden auf dem historischen Kjalvegur unterwegs sind. Kurze Pause an der gleichen Stelle wie 1992, auf meiner ersten
Hochlandtour. Dann weiter an der Seyðisá entlang, die mit einen hübschen Wasserfall überrascht, der deutlich macht,
daß sie kein kleiner Wiesenbach ist. Mehrere kleine Warten markieren den Weg. Ich werde nicht alle aufnehmen
und beschränke mich auf die prominenteren Exemplare.
Mit Annäherung an die Blanda quert man ein breites, steiniges
Hochwasserbett während der Fluß sich aus einiger Entfernung ganz unscheinbar gibt. Erst wenn man direkt vor dem Fluß steht,
erkennt man daß die Blanda gar nicht so harmlos ist. Der Fluß fließt in einer einzigen Rinne und der Stromstrich mehr auf der
linken Seite. Das Wasser ist milchig, trübe und die Tiefe ist nicht erkennbar. Siggi hat die Furt vorgestern mit dem
Geländewagen gequert und wußte mir nichts außergewöhnliches zu berichten. Ich studiere sorgfältig das Strömungsmuster,
präge mir den günstigsten Weg ein und mache mich furtfertig. Da es gleich ziemlich tief wird beschließe ich endlich einmal
eine Furt im Bild zu dokumentieren. Dank meiner Neoprensocken kann ich es mir leisten etwas länger mit den Füßen im Wasser
zu bleiben und mache zwei Photoversuche. Dann packe ich Stativ und Kamera ein und quere die ganze Blanda. Der Fluß ist heute
gut oberschenkeltief, die Strömung ist nur mäßig stark und die Furt damit deutlich einfacher als der Far an der Hagavatn-Hütte.
Bin gerade dabei mir nach gelungener Furt mir einen heißen Tee einzuschenken, als ein Geländewagen auf der anderen Seite
auftaucht. Ein Paar steigt aus und begutachtet die alten Spuren Siggis. Durch Zuruf und Handzeichen signalisiere ich ihnen
den Weg, den ich genommen habe. Dort war ich weder auf große Stufen, noch Blöcke gestoßen, welche in Gletscherflüssen
die größte Gefahr sind. Mache mit der Digi ein Video von der Passage. Da ich den beiden das Video zuschicken möchte, gebe
ich ihnen, als sie bei mir anhalten, meine Karte. Dabei stellt es sich heraus, daß sie regelmäßige Besucher meiner Webseite
sind und ich mit Ihnen auch schon in E-Mail Kontakt war. Prompt werde ich zu Ehren des Zusammentreffens mit einem
"Furtschnaps" traktiert. Begegnungen dieser Art machen das Wandern in Island inzwischen zu einem besonderen Erlebnis. Es ist,
als begegnet man überall Freunden, von denen man nur noch nichts gewußt hatte. Ich bin ein wenig unbescheiden und genieße das.