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3. Tag, Sandklufuvatn - Kaldidalur

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Copyright © Dieter Graser

Samstag, 2. August 1997


Gestern Abend noch das erste Kapitel in "Die Insel des vorigen Tages" gelesen. Mit kurzen Unterbrechungen gut geschlafen. Anmerkung: das Rucksacktragen gestern hat dem Arm überhaupt nicht geschadet. Keine Schmerzen - auf jeden Fall wenigerer als ein Tag Arbeit am Computer!

Die ganze "Nacht" über Regen und Nieseln. Einige Böen schüttelten das Zelt. Von der Morgenmaschine nach Akureyri geweckt. Ich kenne die vertraute Tonlage der Fokker 50. Draußen triefender Nebel über dem See. Irgendwo bähbäht ein Schaf. Das Wetter ist überhaupt nicht einladend und entsprechend saumselig ist das Frühstück.

Um 8:00 Uhr Start. Der Nebel hat sich verzogen und anfangs ist es sogar noch trocken. Nach dem Sandklufuvatn kommen einige ganz gute Zeltmöglichkeiten und sogar ein Bach mit klarem Wasser. Der Anstieg zum Tröllaháls hat es an Länge und Steilheit in sich. Als Dreingabe bekomme ich kräftigen SW-Wind und horizontalen Regen. Immer wieder auch ein schöner Regenbogen, der mich wenigstens zum Teil darüber hinwegtrösten kann, daß es mich von links hinten her einsuppt. Die Goretex-Jacke ist schon alt und die Stiefel sind auch schon ziemlich fertig - überall Wassereinbrüche. Vorbei am "Bischofskreuz" das zum Gedenken an einen isländischen Bischof der hier auf einer Reise verstarb errichtet wurde. Das Wetter wird zunehmend freundlicher und der Regen läßt nach.

Mittagspause am Uxarhryggur, an der Abzweigung zum Borgarfjöršur. Hier beginnt die Piste des Kaldadalvegur. Durch Lee-Effekte befinde ich mich in einem Sonnenloch. Über jedem Berg im Süden stehen die Linsenwolken und am der breiten, flachen Vulkankegel des Skjalbreišur hängen die Stauwolken. Sonne und Wind trocknen die Klamotten von außen. Die Landschaft wird zunehmend weiter. Vegetation ist kaum mehr anzutreffen. Steinpflaster und große Moränenblöcke (ähnlich wie nördlich des Gullfoss) bedecken den Boden. An einem Quellbach westlich der Straße, etwa 5 km hinter der Abzweigung, hole ich mir noch zusätzlich 3 l frisches Trinkwasser. Weiter in Richtung Kaldidalur werde ich wohl erst morgen wieder Wasser finden. Die Piste folgt erst eine Höhenzug und quert dann den Sporn eines Ausläufers des Björnsfell. Mit Annäherung an die Berge und zunehmender Höhe tauche ich zwischendurch in Nebel ein der sich jedoch wieder verzieht. Was bleibt ist immer wieder feiner Sprühregen. Das Kaldidalur ist ein mehrere Kilometer breiter Talpaß zwischen den Gletschern von Žórisjökull und Ok und folgt der tektonischen Hauptrichtung SW-NO. In jedem Reiseführer wird diese Piste als "Hochland im Kleinem" empfohlen, aber auch immer darauf hingewiesen, daß hier das Wetter besonders schnell umschlagen könne. Nun, das Wetter wechselt hier auch nicht öfter als anderswo im Hochland und in einer Höhenlage von 700 m kann in Island jeder Wettersturz Schnee bringen.

Kaldidalur
Ziemlich weit voraus locken mich ein paar grüne Flecken mit der Aussicht auf eine günstigere Zeltmöglichkeit. Ein dichte Nebeldecke hängt vielleicht nur 1-200 m über dem Tal und verbirgt die sicherlich außergewöhnliche Aussicht auf die Berge und Gletscher ringsum - schade. Ich hatsche weiter und die vielversprechenden grünen Flecken erweisen sich als Moospolster auf grobem Blockwerk, ich muß also weiter suchen. Ein etwas verbeulter, alter Mercedes überholt mich und hält an. Der Fahrer, ein ebenfalls schon älterer Isländer fragt mich auf deutsch, ob er mich nach Húsafell mitnehmen könne. Dankend lehne ich ab. Nach einer kurzen Steilstufe finde ich schließlich etwa 100 m rechts der Straße eine kleine Moosterrasse. Einigermaßen eben und gerade groß genug für das Zelt. Das Zelt war natürlich am Morgen naß eingepackt und entsprechend feucht. Für die Isomatte muß ich mir auch mal einen regendichten Packsack besorgen. Zum größeren Ärger ist selbst der Schlafsack, obwohl gut verpackt, in dem Regen feucht geworden. Ich nehme die Position (ganz schön weit gekommen heute!), trinke noch den restlichen heißen Tee aus der Thermos und döse ein bißchen. Draußen wieder heftiger Wind, Regen und Nebel. Zum Abendessen Kartoffeleintopf. Nach diesem langen Tag bin ich mit mir zufrieden. Der Arm schmerzt eher weniger als nach einem normalen Arbeitstag. Dafür spüre ich alle anderen Knochen und Muskeln. Die Bandscheibe spielt offenbar mit und ich beginne daran zu glauben, daß die Tour möglich sein wird. Werde mich früh in den Schlafsack verkriechen und auf trockenes Wetter hoffen.

Später nachlassender Niederschlag. Über dem Žórisjökull, dessen Plateaukante sichtbar wird, blaurosa Aufhellungen. In der Nacht erneut Sprühregen und kräftiger Wind.


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