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15. Tag; Dreki - Dyngjufell

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Copyright © Dieter Graser

Sonntag, 16. August 1998

Es ist Sonntag - bin jetzt genau seit 2 Wochen unterwegs. Die Nacht war frisch und ich war so tief in meinen Schlafsack eingemummelt, daß ich den Wecker überhört habe. Also erst gegen 7:00 Uhr auf. Sonne, kein Wind und gerade mal 1/8 Bewölkung, was will man mehr. Vor dem Start noch Abschied von Eygló und ihrer Kollegin. Das Thermometer an der sonnenbeschienen Hüttenwand zeigt 22°C.

Dreki

Mache ein paar Photos und gehe dann um 9:15 Uhr langsam, aber zügig, die Piste zur Askja hinauf. Die Steigung ist gleichmäßig und die 300 Höhemmeter verteilen sich auf 7 Kilometer. Nach etwa einer Stunde brauche ich doch die Jacke, denn die Luft ist empfindlich kalt geworden und ein paar über die Askja segelnde Kummulanten verschatten ab und zu die Sonne. Erst spät überholen mich die die ersten Autos. Um 11 Uhr bin ich am Parkplatz von dem aus der Weg zum Krater Víti und zum Askjasee beginnt. Am Parkplatz deutet ein Wegweiser mit der Aufschrift "Dyngjufell" nach Norden, quer über junge “61er Lava. Auch das entspricht der Beschreibung, die ich von Eygló bekommen habe. In dem Büchlein von Páll Ásgeirson wird empfohlen erst zum Askjasee und dann von dort aus nach Nordwesten über das Lavafeld Goðahraun zur Jónsskarð, einer Scharte in der nördlichen Umrahmung der Askja, zu gehen. Den Krater Víti und den Öskjuvatn lasse ich diesmal links liegen und folge dem Wegweiser. Es geht besser als befürchtet. Die junge Lava besteht hier oben, nahe der Ausbruchstelle nicht, wie weiter unten, aus chaotischen, aufgetürmten Schlacketrümmern, sondern mehr aus größeren, zerbrochenen Schollen und Fladen mit schönen unverwitterten Strickstrukturen an der Oberfläche. Jeder Brocken, jede Kante ist messerscharf oder nadelspitz. Jeder Schritt knirscht splittrig unter dem Bergschuh, mit einem Geräusch als würde man über Glasscherben laufen. Die Skistöcke sind einmal mehr eine große Hilfe. Nach einem höchst interessanten Kilometer ist die Öskjuop, die "Öffnung der Askja" durchquert und ich bin am nördlichen Schüsselrand der großen Caldera angekommen. Hier findet sich auf einem Hügel das Gegenstück zu dem Wegweiser auf dem Parkplatz. Die Entfernung dorthin wird mit 2 km angegeben. Das GPS bestätigt, daß es aber tatsächlich nur 1 km ist. Lava zählt wohl doppelt.

Öskjuop, Askja

Mache Mittagspause und ziehe nun auch die wärmere Hose an. Der Schneekragen, der den inneren Rand der Askjaschüssel umgibt, erspart mir weitere Lavafelder. Der Schnee ist meist recht hart und ich sinke nur wenig ein. So komme ich zwar nicht besonders schnell voran, aber muß auch nicht bei jedem Schritt aufpassen, wo ich hintrete. Noch 4 km bis zum Aufstieg zur Jónsskarð. Diese Scharte ist natürlich von der Seite kommend weniger gut zu erkennen, als wenn man man vom See aus die älteren Laven quert. Allerdings habe ich die Koordinaten der Scharte im GPS und so sollte sie leicht zu finden sein. Inzwischen schieben aber dunkelgraue Wolken über den Calderarand und genau dort wo die Scharte sein müßte drückt von Norden her Nebel herein - Mist! Mit dem dritten Wegweiser am Aufstieg zur Scharte macht der Nebel den Vorhang zu und eine dicke Suppe füllt die "Schüssel" des Askja. Vier Gestalten mit großen Rucksäcken und hochgeschlagenen Kapuzen tasten sich durch den Nebel den steilen Hang herunter. Drei Jungs und ein Mädchen. Nachdem die Frage der Verkehrssprache (deutsch) erledigt ist, tauschen wir noch gegenseitig Informationen über den Wegzustand, -verlauf und Wetter aus. Ich lasse noch einen Gruß an Eygló nach Dreki ausrichten.

Ab dem dritten Wegweiser ist die Route in kurzen Abständen mit gelbroten Pfählen markiert. Nur, der Nebel ist so dicht, daß ich gerade mal den nächsten sehen kann. Es geht sakrisch steil bergauf - von Weg kann keine Rede sein. Große Blöcke, Geröll, zerbröselte Lava und dann wieder steile Schneefelder (siehe Anmerkung). Der Nordwind von der Scharte herunter nimmt zu und es fängt an zu graupeln. Ich ziehe den Anorak an und mache mich wetterfest bevor ich aus dem noch einigermaßen geschützten Hang in die Düse der Scharte komme. Daß ich diese erreicht haben muß, merke ich nicht nur daran, daß es flach wird sondern, daß mir ein mittlerer Schneesturm ins Gesicht bläst. Es sind aber kaum Flocken sondern Eisnadeln und Graupel, der wie Reiskörner aussieht. Trotzdem, das Zeug beginnt den Boden zu bedecken und ich orientiere mich an den Spuren der Gruppe die mir vorher entgegen kam. Die Sichtweite sinkt unter 50 Meter. Leicht bergab hangle ich mich von Pfahl zu Pfahl vorwärts. Meist muß ich den letzten Pfahl noch in Sichtweite behaltend, die Spuren lesen und dabei voraus nach dem nächsten Pfahl suchen. Der Wind läßt etwas nach und das Gelände fällt steiler ab - ich muß also aus der Düse der Scharte heraus sein. Nun habe ich wenigsten immer den nächsten Pfahl in Sichtweite. Schade, die Aussicht von hier nach Norden müßte phantastisch sein. Von Zeit zu Zeit speichere ich einen Wegpunkt im GPS ab damit ich den Wegverlauf später in die Karte übertragen kann. Langsam, ganz langsam wird der Nebel etwas lichter und ich kann schon die nächsten 3 Pflöcke erkennen. Allerdings schneit es jetzt wirklich.

Lokatindur

Ich hadere gerade wieder mit der entgangenen Aussicht, als ich die die Wolkengrenze tauche. Durch das Schneetreiben wird schemenhaft der Blick auf das Hochland der Mývatnsöræfi frei. Das Gröbste ist nun geschafft. In einer ersten Verebnung tauchen zusätzlich zu den Markierungspfählen noch Steinwarten auf. Die nächste Steilstufe, die etwas Umsicht und Trittsicherheit erfordet, führt nicht wie erwartet schon ins Dyngjufjalladalur sonder auf eine zweite, weite, sandige Verebnung in der sich das Geästel eines Schmelzwasserbaches verliert. Der Niederschlag hat inzwischen ganz aufgehört. Über einen flachen, mit großen Blöcken bedeckten Rücken geht es dann zur letzten Steilstufe in das Dyngjufjalladalur hinab. Der Weg bleibt dabei am südlichen Rand einer in ihrem oberen Teil noch mit Altschnee gefüllten Schlucht. Beim Abstieg über den Talhang ist etwa 1,5 km weiter nördlich dann auch die Hütte zu erkennen. Das Tal selbst ist eher ein steiniger, vegetationloser, aber grandioser Canyon. Der in der Karte eingezeichnete kleine Fluß führt wohl nur im Frühjahr und im Frühsommer Wasser und ich frage mich wie es wohl mit der Wasserversorgung an der Hütte aussehen wird.

Ankunft an der Hütte um 17:15 Uhr. Die Hütte ist größer als es den Anschein hatte. Im Vorraum kann ich die Klamotten zum Trocknen aufhängen. Im länglichen Hauptraum, der durch die flach gewölbte Decke etwas an einen Eisenbahnwaggon erinnert, steht ein Ölofen dessen Kaminrohr durch den Vorraum führt. Es gibt 16 Schlafplätze und alles wäre noch viel gemütlicher wenn nicht jemand die unselige Idee gehabt hätte die Holzverkleidung leicht deckend, weiß anzustreichen! Der warme Holzton ist damit weg und die Hütte hat einen etwas "klinischen" Charme. Sonst ist die ganze Hütte wohl durchdacht eingerichtet, sauber und der Ölofen heizt wirksam. Ich lege erst mal die Füße hoch um die brennenden Fußsohlen zu entlasten, trinke aus meiner Thermos noch den restlichen Tee und studiere das Hüttenbuch. Die Sonne scheint jetzt durch das Westfenster und draußen ist es windstill.

Dyngjufell Hütte

Der letzte Eintrag stammt von den Vieren die mir in der Askja entgegenkamem. Na sowas, den Namen des Mädchens kenne ich doch. Diana Zoglauer - sie hat doch vor ein paar Monaten über das Internet Mitwanderer und Tips über Island gesucht. Zumindest ein paar Tips konnte ich ihr damals geben. (Apropos: im Buch der Bræðrafell-Hütte fand ich den Satz: " ... this book is better than internet!"). In der Hütte steht ein kleiner, halbvoller Wasserkanister. Abgekocht ist es sicher kein Problem, also mach ich mir mein Abendessen. Danach unternehme ich noch einen Spaziergang und zurück zu der Schlucht am Abstieg, denn im Vorbeigehen habe ich in einigen Kolken stehendes, aber klares Wasser gesehen. Ein Kilometer hin und zurück mit 5 Liter Frischwasser; das nächste Wasser werde ich frühestens morgen Abend finden. Eintragung im Hüttenbuch und Aufzeichnungen - zum Schluß mit Kerzenunterstützung. Mitte August wird es halt doch schon etwas dunkel in der Nacht. Es ist 22:00 Uhr und Zeit zum Schlafen.

Anmerkung:
In seinem Island Trekkingfüher schreibt Erik Van de Perre über diesen Abschnitt:
"4km hinter dem Parkplatz zeigen Pflöcke den Weg aus der Askja heraus zum Paß Jónsskarš hinauf. Der einfache Anstieg führt abwechselnd über Sand, Lava und Altschnee." (S. 117/118)
- So unterschiedlich kann man ein und die selbe Strecke beurteilen.
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16. Tag Dyngjufell - Botni