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Gegen 3:30 Uhr kurzer Blick aus dem Zelt: eine dichte Nebeldecke verhüllt alles, was 50 Meter über dem
See liegt. Kein Lufthauch, vollkommene Stille. 6:00 Uhr - immer noch windstill. Der Nebel hat sich bis auf ein paar Schwaden verzogen dafür mittelhohe 8/8 Strat.
Cum. Der Blick auf meinen bevorstehenden Aufstieg ist frei. Also los, möge es trocken bleiben! Erst flach, dann
allmählich etwas ansteigend durch ein schönes, grünes Tal bis zum Grashagakvísl
(Grasweidenbach). Auch ein paar Schafe haben den Weg in diese isolierte Oase gefunden. Es ist noch früh am Tag
und der Grashagakvísl führt noch kein Schmelzwasser. Über ein paar Umwege und ein paar Steine
kommt man gerade noch so über den Bach. Allerdings werde ich das Gefühl nicht los, daß doch etwas
Wasser den Weg in die Schuhe gefunden hat. Nach dem Bach wird es ziemlich schnell ernst. Ein einziger, steiler Hang mit 500 Höhenmeter. Der
Jökultungur, bildet den Südrand der etwa 10 - 15 km durchmessenden Caldera des Torfajökulls.
Der Weg geht ohne viel Zickzack einfach gerade hinauf. Und was für ein hundsgemeiner Wadelspanner von
einem Weg! Ich gehe langsam aber gleichmäßig und mit viel Stockhilfe. Erstaunlich wie viel isländische
Luft man durch die Lungen pressen kann. Nachdem das Gröbste geschafft ist kurze Pause. Aber nur zum
Photographieren, da ich befürchte, daß mich der Nebel gleich schluckt. Doch die Sorge erweist sich als
unbegründet. Die Wolkenuntergrenze steigt schneller als ich. Der Hang wird flacher und endet in einem nach
Osten ansteigenden Gratrücken. Die Sicht nach Süden ist frei und man kann den Weg im Tal und in der
Entfernung auch die beiden Hütten am Álftavatn erkennen. Weiter im Süden die grauschwarzen
Sanderflächen, die auffälligen Bergformen der Stórasúla und des Hattafell. Im Südosten
verschwimmt der flache Eispfannkuchen des Sléttjökull mit den tiefen Wolken. Der Weg verläuft nun etwa auf 1000 m ü. NN über eine tellerförmige Hochfläche die
nach Westen zu von tiefen Runsen zertalt wird. Den Ostrand bilden Kaldaklofsfjöll, Háskerðingur und
Reykjafjöll, im Norden der Hrafntinnusker. Kein schwarzer Lavasand mehr, sondern gelblich, ockerfarbene Hänge,
teilweise intensive Rot- und Blautöne die sogar ins Lila spielen. Schmutzige Altschneefelder. Die ersten Dampfaustritte
und zischende, brodelnde Quellen. Überall blubbert es. Ab und zu taucht man in warme, nach faulen Eiern riechende
Dampfschwaden ein. Ich finde sie riechen einfach nach Schwefel und empfinde das nicht als Gestank! Den großen
Aufstieg habe ich zwar hinter mir aber es folgt ein ziemlich ermüdendes Auf und Ab auf einem schmierigen Lehmpfad.
Östlich des Weges liegt der Kaldaklofsjökull, der eher wie ein flaches Schneefeld als ein Gletscher vom
Háskerðingur herabzieht. Photopause auf einer Kuppe etwas seitlich des Weges und etwas Harðfiskur (Trockenfisch) geknabbert. Zeitweise
bricht die Sonne durch und läßt die phantastisch bunten Hänge der Berge und Schluchten aufleuchten.
Im Westen steigen hohe Dampfsäulen auf. In den tiefergelegenen Bachrinnen flouereszierend grünes Moos.
Die Rinnen der Bachoberläufe sind noch von Schnee verfüllt den der Wind im Winter in die Rinnen Runsen
geweht hat. Früher im Sommer, oder auch noch lange, nach schneereicheren Winter als im diesem Jahr, ist die
Hochfläche fast vollkommen mit Schnee bedeckt. Die lehmigen Rücken zwischen den Tälchen sind jetzt
aper. Die großen Tore am Ende der Schneezungen zeigen deutlich, daß sich das relativ warme Bachwasser
große Höhlen in den Firn geschmolzen hat, über deren Decke man nun spazieren darf. Der Weg
hinüber zum Hrafntinnusker quert sicher ein gutes Dutzend dieser unterhöhlten Schneefelder. Alte
Fußspuren geben keine Sicherheit - an ein zwei Stellen bilden sie dunkle Löcher. Einschließlich
meinem Rucksack bringe ich gut 120 kg auf die Waage. Dabei fällt mir die Geschichte ein, welche der freundliche
Hüttenwart von Hvanngil erzählte: letzte Woche hat sich hier ein Wanderer das Bein gebrochen und mußte
mit einem Hubschrauber geborgen werden. Ich quere die Rinnen also möglichst weit oben. Von Südwesten her treiben niedere Wolken in die Berge und bringen leichten Regen. Unweit einer großen
Dampfsäule am Osthang der Hrafntinnusker kann man schon die Hütte erkennen. Noch ein paar Schneefelder,
ein Bach und dann den Hang zur Hütte hinauf. Hraftinnu - Rabenstein - ein schöner Name für den
schwarzglänzenden, glasartigen Obsidian. Nicht nur ein paar Brocken und Scherben, nein, jeder Stein im Geröll
dieses Hanges besteht aus Obsidian! Ich rätsele schon wo ich hier wohl mein Zelt aufstellen könnte. Etwa
100 Meter unterhalb der Hütte sind auf einer Verebnung die Obsidianblöcke zu kalbkreisförmigen
Wällen und Ringmauern geschichtet. Der Grund hierfür ist offensichtlich. Es ist zwar erst gegen 14:00 Uhr,
aber ich habe mein Tagesziel erreicht und bin heute der erste Zeltgast. Also suche mir die schönste "Osidianburg"
aus. Die Mauern sind zur Wetterseite hin gut über einen Meter hoch und auf dem weichen Sandboden innerhalb des
Mauerrings findet selbst ein größeres Zelt als meines Platz. Ich räume noch ein paar kleinere Brocken,
die meinen Zeltboden zerschneiden könnten weg und bessere, wie meine Vorgänger, die Mauer noch etwas
aus. Das Zelt steht sicher, ist eingeräumt und ich mache erst mal einen Besuch in der freundlich hellen Hütte.
Sie ist geothermal beheizt. Nur 100 Meter weiter westlich fauchen ein paar Dampfquellen. Eine Rohrleitung von dort zur
Hütte sorgt für wohlige Wärme im Überfluß. Ungünstigerweise wird dabei die Versitzgrube
der Hüttentoilette mit beheizt. Dieser Nebeneffekt beschleunigt einerseits die Zersetzungsungsprozesse unten und
andererseits die Sitzungszeiten oben - aber vor der Tür kann man wieder frische Luft tanken! Ich zahle mein 450
Kronen und darf dafür Zeltplatz und Hütteneinrichtungen benutzen. Meine Socken sind heute morgen doch
naß geworden und so können sie hier ein wenig trocknen. Die einzigen Tagesgäste gehören zu
einer Guppe, die von von Landmannalaugar her aufgestiegen ist. Sie machen sich bald wieder auf den Rückweg -
ich habe Zeit. Ein paar Sonnenstrahlen locken auf die Bank vor der Hütte. Eine Schneeammer im weißgrauen
Sommergefieder besucht mich. Ich versorge mich noch mit Wasser und gehe zu meiner Burg aus schwarzem Vulkanglas.
Eigentlich wollte ich noch einen kleinen Ausflug zu den Eishöhlen auf der anderen Seite des Hraftinnuskers
unternehmen, aber erneut einsetzender Regen überredet mich zu einer Siesta. Nach dem Nickerchen eine Tasse Kaffee. In das Regengeräusch auf dem Zelt mischt sich undeutliches
Gemurmel von links. Von rechts kommen kommen eindeutig, gutgelaunte italienische Laute. Frühes Abendessen
um 18:00 Uhr: Huhn mit Curryreis. Danach noch einen Besuch in der Hütte. Diese hat sich inzwischen gut
gefüllt und ich sitze lange mit einer Gruppe Franzosen (alles Lehrer aus der Bretagne) zusammen. Zum Abschluß
kochen wir noch gemeinsam Tee. Draußen hat es zwischendurch kurz aufgemacht, der Regen hat nachgelassen
aber dafür ist ein dicker Nebel heraufgezogen. Der Hüttenwart meint, daß man wohl demnächst
ein gelbes Blinklicht auf dem Hüttendach montieren wird, da sie bei Nebel häufig verfehlt wird. Man sieht nur
etwa 20 Meter weit, da muß man schon wissen, wo das Zelt steht.
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8. Tag: Hrafntinnusker - Landmannalaugar