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Erst um 6:20 Uhr aufgewacht. Der Piepsen des Weckers ging offensichtlich im Bachgemurmel unter. Die
Erkältung macht sich nur noch durch schlechten Schlaf bemerkbar. Nun zum Wetter: Wind aus SE wie gestern,
8/8 Stratus Cum., ziemlich niedrig. Ein grauer Deckel über dem Hochland. Die Regenwahrscheinlichkeit für
die nächste Stunde nehme ich günstigstensfalls mit 50 % an. Langsames Frühstück. Habe heute
22 km auf der Sprengisandurpiste vor mir - also etwa 6 Stunden mit kurzen Päuschen. Um 8:45 Uhr bin ich wieder "On the road again ...". Die Piste ist sehr gut, die Isländer donnern hier locker mit 80 km/h
und mehr durch. Allerdings empfiehlt sich erhöhte Wachsamkeit, denn es gibt durchaus Stellen die das nicht vertragen!
Interessant, was für Schrauben und Bolzen man so zwischen den Steinen findet, manche haben sicher auch wichtige
Teile zusammengehalten. Auspufftöpfe dekorieren in regelmäßigen Abständen den Pistenrand.
Meine anfängliche Sorge "bleibt es trocken?" wir recht schnell durch die Frage "wird der Wind noch stärker?"
abgelöst. Die ersten Kilometer schützte mich noch ein Höhenzug, aber dann kommt der Wind ungehindert
aus Osten vom Vatnajökull heran über dem sich eine Föhnmauer mit dazugehöriger
Föhnlücke aufgebaut hat. Zumindest bleibt es dadurch in meiner Gegend einstweilen trocken. Der Wind kommt
also von rechts, mal mehr von vorn, mal mehr von hinten. Ich habe die Kapuze übergezogen und gehe mit
Schräglage gegen den Wind, der mich in Böen bis in die Straßenmitte versetzt, ohne daß ich mich
groß dagegen wehren könnte. Die Skistöcke sind wieder sehr hilfreich, um das Gleichgewicht zu halten.
Ich hoffe, daß jedes Fahrzeug, das sich von hinten nähert, sich durch Hupen bemerkbar macht. Es ist noch
früh am Tag und Verkehr von Süden ist noch selten und von Norden ist erst am Nachmittag was zu erwarten.
Vorgestern war ein Sturm, da ging gar nichts mehr. Heute geht es so gerade noch, manchmal sogar recht gut, aber es ist
anstrengend und kostet viel Kraft. Eine Brücke führt über die Schlucht des schäumenden Kaldakvísls. Die Landschaft
ändert sich. Immer noch Kieswüste, aber nur noch flach gewellt und mit großen, sandgestrahlten
Findlingen überstreut. Nach Osten Blick zum Vatnajökull, nach Westen zu den Kerlingerfjöll und zum
Hofsjökull, dem ich mich immer mehr nähere. Direkt voraus, in weiter Ferne, der Tungnafell mit seinem kleinen
Plateaugletscher. In 2 Tagen will ich ihn erreichen. Auffallend viele Schneefelder dort, mehr als vor zwei Jahren scheint mir
und das obwohl es dieses Jahr so wenig Schnee gegeben haben soll. Pause nahe der Straße auf einem Stein. Der
Hochlandbus kommt vorbei, hupt zur Bergrüßung und alle winken. Ich mache hier eigentlich kein Schaulaufen,
aber es ist doch ganz nett. Weiter gegen Monotonie und Wind. Das Gehen ist automatisiert, die Psyche hat Freigang und
wandert auf eigenen Wegen. Irgendein von der Evolution noch nicht verschüttetes Basisprogramm übernimmt
den Intellekt und registriert aufmerksam alle alle Veränderungen von Wetter und Natur. Kürze eine weite
Schleife der Piste ab. Mir entgeht dadurch die Begegnung mit einem einsamen Radler, der auf kleinem Ritzel gegen den
Wind hadert. Die Mittagspause ist weniger exponiert. Diesesmal sitze ich nicht auf einem Stein, sondern auf dem Boden im Lee
eines solchen. Wieder macht die Piste einen weiten Bogen und ich kürze auf dessen Sehne ab, das erspart mir
sicher mehr als einen Kilometer. Ich sitze im Zentrum hinter meinem Stein und der heiße Tee wärmt mich wieder
auf. Mit dem GPS die Position kontrolliert. Beim Querfeldeingehen fallen mir die schönen Landkartenflechten auf den
Findlingen auf. Erstaunlich, daß sie sich totz der der Abrasion durch Sandkörner halten können. Drei schwerbeladene Geländemotorräder überholen mich. Ein seltsamer Anblick, wie sie beim
geradeaus Fahren mit aberwitziger Schräglage den Seitenwind ausgleichen müssen. Gegen 14:00 Uhr
kommen die flachen, barackenähnlichen Gebäude von Versalir, Raststätte, Tankstelle, Kaffee und
Hotel in einem, in Sicht. Neben der von Hrauneyrar, die einzige Station dieser Art im Sprengisandurgebiet. Die Signaturen
für Raststätte und Tankstelle sind auf der 1:250.000er so unglücklich plaziert, daß ich Versalir weiter
ab von meiner Route vermutet hätte. Meine Route, eine Nebenstrecke über die Stauseen an der
Þjórsá, verläßt hier die (alte) F28 Sprengisandsvegur, die von hier ab weiter östlich
nach Nýidalur führt (Anmerkung: Seit 1998 führt die F28 offensichtlich auch über diese westliche
Route und zweigt erst später nach Osten auf zum alten Straßenverlauf ab!). Zuerst bleibe ich standhaft und
ziehe westlich an Verslair vorbei. Zu meinem Tageziel sind es nur noch 4 km, es ist erst 14:00 Uhr und es sind nur etwa
1.5 km dort hinüber - allerdings gegen den Wind. Ich werde weich. Aber was soll´s ich habe Zeit, also Einkehrschwung,
denn bis zur nächtsten "Jausenstation" sind es noch 8 Tagesmärsche. Gegen den Wind ist es verdammt hart, aber ich bin ja voll motiviert und kralle mich in Doppelstocktechnik Richtung
Westen. Total verschwitzt komme ich in Versalir an. Im Vorraum hänge ich erst mal meine Klamotten zum Lüften
auf und stelle mein Stiefel ab. Bin fast der einzige Gast. Drei stabile und nette Mädels betreuen die "Hütte". Es
gibt Egil´s Pilsner - das zischt! Dann Kaffee mit Schokoladenkuchen - zweimal Nachfassen beim Kaffee. Ich sitze an der
Heizung und schlafe dabei in der ungewohnten Wärme fast ein. Kleine Unterhaltung mit den Isländerinnen.
Schreibe eine Karte als Lebenszeichen an Lene in Dæli und werfe sie ein. Interressante Karte an der Wand: sie zeigt
die Projekte der isländischen Energiebehörde Órkustofn (Stand 1971) für den Ausbau der
Wasserkraftwerke im südlichen und zentralen Sprengisandurgebiet. Gottseidank ist keines der 3 Stauziele verwirklicht
worden. Im Maximalausbau hätten sie die ganze Þórsáver bis in den Moränenkranz des
Múlajökull hinein überflutet, der dann zu einem Halbarchipel geworden wäre. Die jetzige
Erschließung erfolgt über mehrere Stauseen östlich der Þjórsá, die durch einen
Kanal miteinander verbunden sind. Aber der weitere Ausbau ist immer noch im Gang. Nach etwa 2 Stunden gemütlicher Rast in der Hütte nun mit kräftigem Rückenwind erst wieder
die Abkürzung zurück zur Þjórsápiste und zum Stausee Drattahólsvatn. Dort
überholt mich gleich ein Riesentieflader der nur zwei überdimensionale Baggerschaufeln geladen hat. Wie
meistens gehe ich ziemlich in der Mitte der Straße. Dem dünnen Hupton nach, vermute ich, hinter mir nähert
sich nur ein alter Lada! Auf dem Erddamm des Stausees Begegung mit einer großen Reitergruppe von "Hestasport" mit
vielen freien Pferden und manchen etwas unglücklich dreinblickenden Touristen. Der Führer hält kurz an
und fragt mich "You are walking over the Sprengisandur?" Dem erstaunten Unterton nach kommt das wohl nicht oft vor. In
einem kleinen flachen Tal unterhalb des Dammes suche ich nach einem Zeltplatz. Der Fluß selbst ist zwar durch den
Damm trockengelegt aber allenthalben entspringen hier Quellen und somit ist für Wasser gesorgt. Nach etwa einer
halben Stunde finde ich in einem Seitentälchen einen Platz der mir behagt. Vor dem Wind ist das Zelt durch eine etwa
3 m hohe Böschung geschützt. Der Boden ist flach und moosig und ein kleiner Bach führt klares Wasser.
Das Zelt steht gut und zum Abendessen gibt es indonesischen Reistopf und zum Nachtisch Schokloade. Es ist gegen
22:00 Uhr und leichter Regen tröpfelt auf das Zelt.
(Anmerkung: das Hochlandzentrum von Versalir ist seit 2002 nicht mer in Betrieb!)
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14. Tag: Versalir - Hámırar