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Sehr gut und tief geschlafen, fällt mir richtig schwer aufzuwachen. Es ist 6:20 Uhr, kein Wind, das Zelt ist ruhig.
Leichte, hohe Schichtbewölkung mit einzelnen Lücken. Talauswärts liegt eine Nebelbank. Zum
Frühstück scheint die Sonne in den Zelteingang und das Stimmungsbarometer klettert Richtung Hoch. Beim
Zeltpacken freue ich mich, daß ich es einmal ohne daß mir der Wind dazwischenfährt, schön dicht
zusammenrollen kann, so daß es wie von selbst in den Packsack schlüpft. Alles fertig? Wo ist meine Kappe?
Na klar wie immer an der Wäscheleine im Innenzelt. Also Zelt wieder runter von Rucksack, aufgerollt, hineingekrochen,
Kappe herausgefischt und weil es so schön war wieder neu gepackt. Trotzdem um 8:20 Uhr das übliche "Hab' ich alles?", der Startjodler gehört auch zum Ritual und ich suche
mir meine Pferdespur. Die Spur ist tief, erdig aber sehr gut zu gehen. Irgendwann messe ich die Breite: exact 30 cm.
Schafspuren sind dagegen unangenehm, man muß einen Fuß genau vor den anderen setzen und dabei sollte
man Ballerinas und keine Bergschuhe tragen. Manchmal geht es recht alpin die steile Böschung am Fluß
entlang. Die Nebelbank vom Morgen hat sich inzwischen gehoben und bildet etwa 100 - 200 Meter über dem Grund
einen Deckel im Tal. Eine hinlänglich bekannte metorologische Erscheinung in den Tälern Nordislands. Allerdings
weht nun auch ein eiskalter Wind von Norden das Tal herauf und ich muß mich erst einmal wärmer anziehen. Die
Nebeldecke beginnt nun auch zu Nieseln. Immer wieder geht mir die breitere Pferdespur verloren und ich folge einer Schafspur
oder kämme durch die Zwergbirken. Habe die ersten reifen Heidelbeeren gesichtet. Ein sicheres Zeichen, daß der
Sommer sich langsam seinem Ende zuneigt. Zur Abwechslung geht es duch ein paar Moore. Die letzte Warte war in der Nähe meines Zeltplatzes, seither habe ich keine Wegmarkierung mehr gesehen - was
den fehlenden Markierungen in der Karte entspricht. Ich latsche vor mich hin und hadere etwas mit dem Wetter, denke an
dies und das und daran, daß ich irgendwann mal dieses Tal über einen flachen Paß, schräg nach
Nordost, verlassen muß. Denn so lang und breit das Tal hier oben ist, an seinem Ausgang verengt es sich zu einer
scheinbar nicht passierbaren Schlucht. Bei der nächsten Pause befrage ich mein GPS, wie weit es denn noch bis
zum Abbiegen wäre, denn die Nebeldecke verhüllt mir die Berge und somit auch den Einschnitt zwischen ihnen.
Oha! Laut GPS bin ich schon 1 km zu weit und sollte schon 500 m weiter östlich, mitten im Hang sein. Seltsam,
warum war hier keine Warte zu sehen? Ich richte mich nach dem GPS und quere zum Hang, um mich wieder auf meine
Kurslinie zu bringen. Ich habe mir inzwischen eine ganz gute Kondition angelaufen und der steile Aufstieg mach sogar
Spaß. Bei einem ins Tal Blick zurück sehe ich von weitem eine Gruppe von Reitern mit einer großen
Anzahl von freilaufenden Pferden das Tal herunterkommen. Jetzt bin ich gespannt welchen Weg sie nehmen werden.
Und richtig, etwa einen Kilometer oberhalb meiner Position schwenken sie von der Talmitte ab und gehen schräg
den Hang an. Also sind wir auf dem gleichen Weg, nur haben sie gewußt wo er ist, oder vielleicht besser: wo er sein
sollte. Als es flacher wird zeigt mir das GPS, daß ich mich wieder genau auf der Kurslinie befinde. Prompt stoße
ich auch wieder auf eine kleine Warte. An dieser Stelle warte ich die Reiter ab, welche die Höhe nur wenige Minuten
nach mir erreichen. Die "Touris" mit schwarzen Reiterhelmen, englischen Wachsjacken und Reitstiefeln, das isländische "Personal"
ohne Helm, mit Gummistiefel und dem isländischen Standardwinteroverall für Fischerei und Landwitschaft oder
halt "irgendwie" gekleidet. Der Führer grüßt mit "Hello!", ich antworte "Góðan daginn". Er freut
sich "Ertu íslensk?", was ich verneine. Na, ja - aber wenigsten könne ich isländisch sprechen - sehr wenig,
schränke ich ein. Auf jeden Fall erkundigt er sich noch eingehend nach meiner Reiseroute und alle wünschen
mir noch "góða ferð!". Ich warte ab bis die ganze Herde an mir vorbeigezogen ist. Zum Schluß reitet
noch eine junge Isländerin, die langen blonden Haare trotz des nebligen Nieselwetter offen, auf einem braunen Pferd
mit langer Mähne und Schweif vom gleichen Farbton wie das Haar der Reiterin. Ja,ja, da kann man schon ein wenig
länger hinterherschauen - ein Troll war das sicher keiner. Ich folge den Reitern über einen weiten Hang hinunter zum Ishólsvatn. Der Abstieg ist erdig und durch den
leichten Regen schmierig geworden, zudem haben ihn die Hufe der Pferde kräftig aufgewühlt. An der Ruine des
alten Torfgehöfts Íshóll machen die Reiter Pause - nun, es ist ein guter Platz und es ist Mittags. Von
etwas abseits beobachte ich die Gruppe. Die Gäste (Engländer, Schweizer, Holländer), sieben an der Zahl,
bleiben unter sich und halten brav "ihre" Pferde. Die ebenfalls sieben isländischen Begleiter liegen entweder im feuchten
Gras oder versuchen langsam die Herde zu sammeln, um die Reitpferde auswechslen zu können. Ich zähle
76 Pferde - was hatte ich letztes Jahr festgestellt? Wenn, dann sind immer ca. 80 Pferde unterwegs! Sie brechen vor mir auf und ich beginne langsam die Thermosflasche und das Futter wieder zu verstauen. Der Weg ist
nun nicht mehr zu verfehlen, er geht gemütlich etwas oberhalb des Westufer des Sees am Hang entlang. Es sind gute
4 Kilometer und ich kann noch lange die Pferde vor mir sehen ... und riechen! Teilweise ist es recht abschüssig aber
die Spur ist gut und man hat einen schönen Blick über den See. Das Wetter hat sich gebessert. Hier gibt es
keine Nebeldecke mehr und es wird immer freundlicher. Am Nordende des Sees muß ich durch ein Gatter und dann verliere
ich die Spuren der Pferde. Nach der Karte ist nun der Abfluß des Sees, die Fiská zu queren. Der Bach ist nur
knapp knietief und ich gönne mir danach einen heißen Tee in der Sonne die es jetzt durch die Wolken geschafft
hat. Nach der Pause geht es über sumpfige Wiesen weiter, immer ungefähr der Fiská folgend, die mich
vor ihrer Mündung in die Mjóidalsá plötzlich mit einem schönen Wasserfall über eine
Wand aus Säulenbasalt überrascht. Der Wasserfall liegt knapp außerhalb des Kartenausschnitts meiner
letzten 1:100.000er Langsam steige ich nun auf das nun deutlich tiefere Talniveau der Mjóidalsá ab. Am
Fluß muß ich dann noch einmal etwas heiklig die Uferböschung hochklettern um einem Prallhang zu
umgehen. Auf der anderen Talseite tauchen erste Birken auf und hinter dem Rücken muß wohl auch der Hof
Mýri, der erste Hof des Bárðardalur, liegen. Kurz vor der Mündung in die Skjálfandafljót und dem Erreichen des Beginns der Sprengisandurpiste
finde ich auf einer Wiese am Rande des Hochwasserbettes des Flußes einen schönen Zeltplatz für die
Nacht. Wie üblich erst mal kurz gedöst und dann gekocht. Nach dem Abendessen einen Spaziergang den
Hang östlich des Zeltes hinauf. Von oben ist die nahe Sprengisandurpiste und der große Hof Mýri zu
sehen. Ja, das Hochland liegt nun wirklich hinter mir, ich habe das "byggð", das bewohnte Gebiet, erreicht. Gehe weiter
zum nahen Fluß Skjálfandafljót. Auf dem Weg dorthin finde ich etliche Schafsskelette, zwei davon mit
auffallend schönen, voll eingerollten Hörnern - aber total verwittert. Der Fluß selbst hat sich eine
phantastische Schlucht in den Säulenbasalt gegraben. Mitten im schäumenden Fluß steht ein einmaliger,
schiffsförmiger Basaltfelsen. Komme zu einem Pegelhäuschen, das ich als alter Hydrologe natürliche näher untersuchen muß.
Durch das Fenster der Pegelhütte kann ich den Schrieb auf der Papierrolle des automatischen
Aufzeichnungsgerätes erkennen. Die Ganglinie zeigt einen schönen Schmelzwassertagesgang mit einem
Tagesmaximum um 5:00 Uhr und Minimum um 22:00 Uhr an! Die Skjálfandafljót sammelt im Gebiet
nördlich der Vónarskarð die Schmelzwässer der Nordwestecke des Vatnajökull und seiner
höchsten Erhebung der Bárðarbunga (2009 m). Man kann also grob 12 Stunden Fließzeit für
die etwa 80 km annehmen (was einer durchschnittlichen Fießgeschwindikeit von knapp 2m/s entspricht). Aus einiger Entfernung habe ich einen Blick auf den Aldeyjarfoss. Es ist schon leicht dämmrig und ich bin heute
schon genug gelaufen, vielleicht komme ich morgen Früh noch mal her. Ich gehe hinüber zur Sprengisandurpiste
und dann zurück zum Zelt. Irgendwie fühle ich, daß hier die Tour eigentlich zu Ende ist.
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21. Tag: Mıri - Goğafoss - Akureyri