24. Tag, Dalsá - Geysir

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Copyright © Dieter Graser

Samstag, 3. August 2002


Morgens immer noch Regen. Raffe mich langsam auf, frühstücke und packe zusammen. Traue den Regenpausen nicht und ziehe gleich im Zelt das Regenzeug an. Zum ersten Mal auf dieser Tour, daß ich den Rucksack im Zelt packe. Bevor ich losgehe packe ich jedoch die Überhosen wieder ein, da es mir sonst zu warm wird.

Nach einer Viertelstunde wird mir auch der Anorak zuviel. Kein Wind heute, und der Regen hat tatsächlich aufgehört. Das Tal hinaus und hinunter und vorbei am Hof Tungufell. Ein großer Hof. Aber auch ein typisch isländischer Hof mit vielen Gebäuden und noch mehr Schrottkarren die sich rings über die Hauswiese verteilen. Dann schnurgerade das Tal hinaus. Drei Wanderreiter kommen mir entgegen. Jeder führt ein zweites Pferd am Zügel wobei eines große Packtaschen für das Gepäck trägt.

An der Hvítábrücke wie befürchtet der große Auflauf. Ein Polizeiwagen und mehrere Fahrzeuge der Björgunarsveitar mit allem möglichen Bergungsgerät. Unterhalb der Brücke ist ein Schlauchboot in der heftigen Stömung vertäut. Mit einer Unterwasserkamera wird versucht das Autowrack zu orten. Bei der geringen Sichttiefe in dem milchig, trüben Gletscherwassers sicher kein sehr aussichtsreiches Unterfangen. Ich spreche kurz mit einem der Retter. 11 Meter Wassertiefe in der Schlucht. Ein Insasse konnte sich, wie auch immer, retten. Nach dem Fahrer wird noch gesucht. Ich gehe langsam weiter. Etwa einen Kilometer weiter mache ich die Pause, die eigentlich an der Hvítá machen wollte und setze den Rucksack ab. Der Himmel ist unverändert trübe, aber es bleibt trocken.

Die letzten Kilometer zum Geysir ziehen sich. Die Straße zum Gullfoss ist mit großem Aufwand neu angelegt worden und ich habe keine andere andere Wahl, als auf dem harten Straßenbelag zu laufen. Auf beiden Seiten der Straße Schafzäune, tiefe Gräben und dann der hohe Fahrdamm selbst. Ähnelt eher einer Grenzbefestigung. Viel Verkehr. Um halb drei schließlich erreiche ich die Cafetria und das Besucherzentrum am Geysir. Ich stelle meinen Rucksack ab ... und es fängt an zu regnen. Das war Timing. Meinen seltsamen Gelüsten folgend vertilge ich erst "Pilsur meš öllum" ( Hot Dog mit allem) und danach noch das "Special offer: Hamborgar meš franskar og Pilsner". Alles gleich zahnlos, mampfig und geschmacksneutral. Nicht, daß ich es nicht schon vorher gewußt hätte. Muß nur meinen Magen davon überzeugen, daß es sich wirklich nicht lohnt. Richte mich auf dem Zeltplatz ein, döse ein Viertelstündchen und begebe mich dann ins Schwimmbad beim Hotel. Heiß duschen, etwas im Hot-Pot gedümpelt, ein paar Bahnen geschwommen und dann in frische Wäsche geschlüpft.

Vom Münztelephon in der Cafetreia Annie zu hause angerufen um ihr mitzuteilen, daß ich meine Tour gut zu Ende gebracht habe und daß ich mich darauf freue sie wieder zu sehen. Um mich herum lärmende Touristen. Irgend etwas in ihrer Stimme paßt nicht. Was ist passiert? Langsam begreife ich, daß sie mir sagen will, daß mein Vater vor einer Woche gestorben ist. Die Trauerfeier fand am Donnerstag statt. Morgen Abend geht mein Flieger. In mir ist Leere. Es regnet und regnet. Ende der Aufzeichnungen.

* * *

Gewidmet meinem Vater
Gerhard Graser
gestorben am 28. Juli 2002


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