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16. Tag, Hvannalindir - Jökulsá á Fjöllum

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Copyright © 2003 Dieter Graser

Freitag, 1. August 2003


Die Kombination Piepsen des Weckers und Regengetrommel auf dem Zelt löst bei mir einen Weiterschlafreflex aus. Um 8:00 Uhr fange ich langsam an das Frühstück herzurichten und wieder Mal hört es während dieser Zeremonie auf zu regnen. Keine Ahnung warum der Zauber wirkt, aber schön langsam sollte ich mal eine Statistik aufstellen.

Aufbruch im Anorak, da der nächste Schauer schon absehbar ist. An der etwa 3 km weiter nördlich liegenden Hütte des Naturschutzverbandes ist die isländische Fahne aufgezogen und am Abstellplatz steht der Jeep, den ich gestern Abend aus der Ferne gesehen habe. Unterhalte mich mir dem Landveršur und hole mir noch nachträglich die Genehmigung für mein "wildes" Zelten in einem Naturschutzgeiet. Da freilebende Fußgänger in Island wohl auf der roten Liste der gefährdeten Arten geführt werden, erweist sich das als kein Problem. Soll aber keiner versuchen seine Karre da in die Landschaft zu stellen!

Bei der Hütte ist die Lindaá ein erstes Mal zu furten und knapp zwei Kilometer weiter dann noch einmal. Hier tanke ich schweren Herzens und Rucksacks noch 4 Liter Wasser auf, das mir bis zum Heršubreiš reichen muß. 4 kg mehr auf dem Buckel sind deutlich spürbar und ich bin froh, daß mir auf dieser Route kaum Anstiege drohen. Die sandige Piste verläuft nun gut 10 Kilometer eingeklemmt zwischen einem Lavafeld im Westen und dem Hangfuß des Höhenrückens Kreppuháls. Habe nur drei Mal Begegnungen mit Fahrzeugen, dabei ein Konvoi von fünf holländischen Landrovern. Die Piste bietet wenig Abwechslung und ich bin froh, daß sie wenigstens nicht stur geradeaus verläuft. Immer leichte Kuppen und Biegungen, so daß man selten mehr als ein paar hundert Meter vorausschauen kann. Zwei Raben überfliegen mich heiser krächzend.

F902
Ab jetzt bin ich wieder auf mir schon bekannten Wegen. Schön hier mal ohne Südwind und Sandsturm durchzukomen. Ich gehe nicht ganz bis zur Brücke über die Jökulsá, sondern such mir schon vorher ein Plätzchen. Zweimal habe ich schon direkt neben der Brücke gezeltet und jedesmal war mir dabei ein wenig unwohl bei dem Gedanken an ein plötzliches Hochwasser und überhaupt macht der Fluß einen Höllenlärm. In drei aufeinanderfolgenden Jahren hatten Jökulsá und Kreppa einen "hlaup", ein Hochwasser hervorgerufen durch den Aubruch eines subglazialen Sees. Auf der Höhe etwa 500 Meter vor der Brücke schlage ich mein Zelt im Windschutz eines großen Lavablockes auf Bimsstein und Sand auf. Jeder Hering muß mit einem großen Stein gesichert werden.

Jökulsá á Fjöllum
Mache noch einen Spaziergang zur Brücke und photographiere die Katarakte der Jökulsá im abendlichen Gegenlicht. Seit meinem letzten Besuch vor fünf Jahren ist auf der Nordseite eine Kiesbank zu einem regelrechten Parkplatz aufgeschüttet worden. Wieder Fahrzeuge mit gelben Nummern und dem NL-Aufkleber. Zwei Landies und zwei sogenannte Expeditionsfahrzeue, bei denen man sich aufgrund ihres martialischen Aussehens fragt ob sie nicht auch gepanzert sind. Fahrbare Sardinenbüchsen mit winzigen Fensterchen. Bloß keinen Kontakt mit der Natur - irgendwie widersinnig damit hier rumzukesseln! Sahara ist dieses Jahr aus der Mode gekommen - Entführungen sind wohl doch ein bischen zu abenteuerlich. Also muß eine andere Sandkiste herhalten damit man endlich mal sein Sperrdifferential benutzen kann.

Besuche noch den großen Felsblock unter dem ich früher gezeltet habe und wandere dann noch ein wenig flußab um die Felsgemälde an der Prallwand der Jökulsá besser sehen zu können. Angeblich hat Anfang der 70er Jahre ein holländischer oder deutscher Künstler(?) den genealogischen Stammbaum der Völsungen (Niebelungen) in großen, weißen Lettern an die Felswand gemalt. Würde mich interessieren, was dahinter steckt. Zumindest kann man an ihnen gut den Pegelstand ablesen. Bin unzufrieden mit meinem Knie und humple zum Zelt zurück.


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