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Immer noch Ost-Nordostwind. Die mächtige Pyramide des Upptyppingar steckt in tiefen Wolken. In der
Nacht hat es geregnet und wie es aussieht wird es das auch gleich wieder tun. Verpacke das Zelt naß
wie es ist. Kurz nach 8:20 Uhr überquere ich die Brücke und mache mich auf den Weg zur Westseite
des Upptyppingar. Nach etwa 3 km verlasse ich die Piste Richtung Norden und überquere die
Bimssteinwüste des Vikursandur und folge den GPS Wegpunkten meiner Route von '98.
Muß tatsächlich nach Kompasskurs gehen, denn meine natürlichen Peilmarke, der Heršubreiš, ist von tiefen
Wolken und Regenschauern verschluckt. Meine Gehmoral ist heute ausgesprochen schlecht. Spüre das linke
Knie, werde naß und habe kaum Sicht. Versacke einmal plötzlich mit einem Fuß im weichen Sand, was mit
einem stechenden Schmerz nun im rechten Knie belohnt wird. Das geht zwar vorbei, ist aber der Moral
auch nicht gerade förderlich. In einem Regenschauer bessert sich die Sicht und der östliche Sockel
des Heršubreiš zeichnet sich ab. Erkenne viele Details der Wüste wieder. Bin mir sicher, daß ich
mehr als einmal genau in meiner alten Spur gehe. Je weiter in nach Norden komme um so weniger
Bimsstein gibt es und um so weicher wird der Sand.
Heršubreiš
Jökulsá
Gut durchnäßt treffe ich auf dem leeren Zeltplatz von Heršubreišarlindir ein. Nutze eine Regenpause,
baue mein Zelt auf und verstaue meine nassse Klamotten so, daß sie nicht mit meinem Heiligtum, dem
Schlafsack, in Berührung kommen können. Unter dem Getrommel des Regens ratze ich erst mal eine Stunde.
Als ich mich auf den Weg zum Häuschen der Hüttenwarte mache entdecke ich ein neu zugezogenes Nallo
auf dem Platz. Kann den Landveršur-Mädels den Schlüssel für die Dusche doch noch entlocken, nachdem
sie erst gemeint hatten, für heute Abend sei schon (für sie selbst) gebucht. Kann sie davon überzeugen,
daß ich für's Haarewaschen wirklich nicht viel Zeit brauche. Auf das Wetter anspielend meine ich noch,
ob sie ihre Teller nicht leergegessen hätten? Nein, aber wahrscheinlich hätten sie schon im Voraus
über das lange Wochenende (Verslunamanahelgi!) geflucht und nun sei das die Strafe dafür. Aber
vielleicht würden die Wikingerhorden dieses Jahr Heršubreišarlindir verschonen. Mich dieser
Hoffnung anschließend begebe ich mich zum Duschen. Nur ein Zelt kommt am Abend dazu, aber dessen
lautstarke Insassen unterhalten mich noch bis um halb eins.
Gegen Mittag bessert sich das Wetter und ich frage mich, ob ich in meiner Statistik diesen Tag nun
zu den Regentagen zählen soll oder nicht. An einer niederen Klippe grau sandgestrahlter Lavablöcke
mache ich Mittagspause. Aus einer kleinen Mulde im Fels trinke ich frisches Regenwasser. Bis zu Piste sind es
noch 1,5 km. Ab und zu taucht die obere Hälfte eines Geländewagens über den Lavafelsen auf und
verschwindet wieder. Ich erreiche die Piste fast an der selben Stelle wie 1998. Das Schwierigste
ist geschafft.
Gefühlsmäßig befinde ich mich nun schon auf der Zielgeraden nach Heršubreišarlindir, aber aus
Erfahrung weiß ich, daß dieses Gefühl täuscht.
Ich habe allenfalls erst die Hälfte des Weges hinter mir. Egal, das Wetter
wird immer feundlicher, die Sonne zeigt sich und auf der Piste kann ich gut ausschreiten. Die Moral ist
wieder da und das linke Knie fast vergessen.
Wenig Verkehr. Fünf holländische Radler erfreuen sich auf ihrem Weg zur Askja glatter Piste und des
Rückenwindes. Weit nach Osten ausholend führt die Piste zu einer kleinen Schlucht der Jökulsá. Zu
spät erinnere ich mich, daß vom südlichen Parkplatz aus so gut wie nichts von der Schlucht zu sehen ist
und ich deponiere meine Rucksack einige hundert Meter weiter zum zweiten Mal. Besichtige dann die
Schlucht und die schönen Strudeltöpfe im Hochwasserbereich. Als ich den Rucksack wieder schultern
will bemerke ich voraus eine Schauerfront. Also lieber den Anorak anziehen - wird gleich
vorüber sein. Keine Minute später erwischen mich die dicken Tropfen des ersten Schauers. Ein, zwei
Kilometer westlich und östlich sieht es eigentlich ganz gut aus, nur direkt von Norden kommen, wie auf einer
schmalen Straße, die Wetter auf mich zu. Ich werfe noch den Regenüberzug über den Rucksack aber für die
Regenhose ist es schon zu spät. Nicht so schlimm, denke ich, aber die alte, dünne Flies-Bundhose leitet
das Wasser zügig bis um Bund unterhalb der Knie und von dort strömt es die Beine entlang von oben in
die Socken, welche es zuverlässig in die Stiefel weiterleiten. Perfekte Drainage! Habe in Island selten
so heftige Schauer erlebt, wie auf dieser letzten Wegstunde nach Heršubreišarlindir.
In den vielen Windungen des letzten Lavafeldes überholt mich der 5-er Konvoi der holländischen
Landies von gestern. Das Herannahen des ersten
Fahrzeuges habe ich unter dem Geprassel auf der Anorakkapuze gar nicht gehört. "Everything ok?" -
"Thank you - I'm fine! That`s just a part of the game".
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