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12. Tag Hraungil - Leynidalur

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Copyright © Dieter Graser

Dienstag, 27. Juli 1999


Obwohl der Wecker wie immer auf 6:00 Uhr gestellt ist, schaffe ich es erst gegen 9:00 Uhr loszukommen. Das Wetter ist richtig schön. Etwas feine, hohe Cirren und eine Andeutung von Dunst lassen mich auf eine stabile Wetterlage schließen - man darf ja auch mal Optimist sein. Mäßiger bis frischer Südwind, aber warm und so kann ich auf die Jacke verzichten, die Bergschuhe brauch ich erst gar nicht richtig zu binden. Der Wasserstand im Bach hinter der aufgegebenen Hütte ist im Vergleich zu gestern Abend deutlich gefallen und ist gerade mal knietief.

Nach dem morgendlichen Fußbad mache ich mich erst richtig bereit für den langen und teilweise steilen Aufstieg auf das bergige Plateau der Mókollar. Wenn es nach der Karte geht habe ich heute eigentlich nur 10 km Wegstrecke vor mir, aber die versprechen wenn auch nicht ganz einfach, doch sehr interessant zu werden. Bin froh um die ausgezeichnete Sicht heute. Beim Aufstieg halte ich mich an die alte Farspur und habe auch etwa jeden Kilometer einen Wegpunkt. Mit jedem Zehnermeter an Höhe gewinne ich auch an Aussicht. Vor den beiden mächtigen Gugelhupfbergen der Hágöngur im Westen liegt der große neue Stausee Kaldakvíslalón. Mit Sicherheit der versteckteste und abgelegenste der isländischen Stausseen. Komme an ein paar recht frisch aussehenden, schwarz rötlichen Kratern vorbei. Sie sind etwa 10 - 20 m hoch haben konkave Außenwände, einen dünnen Rand und fallen fast senkrecht nach innen ab. Sie wirken fast wie eine schlecht gemachte Filmkulissse. Immer wieder wird der Aufstieg durch einen kleinen Zwischenabstieg unterbrochen. Bald bin ich jedoch hoch genug, daß der Ausblick nun auch nach Osten auf den Rand des Vatnajökull frei wird. Der Wall der Moränenkegel ist nur noch einen knappen Kilometer entfernt. An einigen Stellen ist deutlich der Eiskern der Moräne zu erkennnen. Es folgt eine Verebnung mit einem flachen Gletscherbach, der zu furten ist. An seinem Rand finde auch auch etwas klares Wasser und fülle einen Liter in einen Wassersack - wer weiß.

Mókollar

Die GPS-Route weicht nun nach Osten ab und führt mich zur höchsten Erhebung der Mókollar, die hier steil zum Vatnajökull hin abfallen. Ich stehe unmittelbar etwa 200 m über einem Eisstausee in dem einige große Eisberge schwimmen. Dahinter steigt langsam der mächtige Eisschild an und umschließt die Mauer der eisdurchzogenen Westabstürze des Hamarinn. Ich stelle meinen Rucksack an einer breiten Steinwarte ab und genieße die unbeschreiblich Weite der Aussicht. Versuche ein paar Photos zu machen um den Eindruck einzufangen, aber schon der Blick durch den Sucher macht deutlich, daß das ein ziemlich sinnloses Unterfangen ist. Der Wind bläst hier oben ordentlich vom Gletscher her und bevor ich auskühle mache ich mich an den Abstieg. Die Fahrspur ist nun kaum mehr zu finden und machmal glaube ich sie nur noch zu erahnen. Es ist ein teilweise mühsames Gestöpsel über grobes Geröll und immer wieder zwingen mich breite und tiefe Felsspalten zu kleinen Umwegen. Mit Hilfe von GPS und Kompass erreiche ich den Wegpunkt "Varša" am Nordrand der Mókollar. Für ein paar Meter kann ich die Fahrspur wieder erkennnen. Weiter zur nächsten Warte. Nun habe ich den Blick hinunter in das Leynidalur, das "verborgene Tal" mit seinem Gletscherfluß. Der Tiefblick läßt es fast unmöglich erscheinen, daß dieser Berg mit einem Geländewagen befahren werden kann. Ich kann fürs erste nicht einmal einen zu Fuß machbaren Abstieg entdecken der nicht in irgendwelche Felsabstürze führt. Auf Klettereien kann ich mich mit meinem Gepäck und als Einzelgänger nicht einlassen. Das Hochplateau fällt aber nach Westen hin etwas flacher ab und dort muß wohl auch eine befahrbare Route geben.

Varša

Die Fahrspur hat sich wieder irgendwohin verkrümelt und so suche ich mir meinen eigenen Weg. Langsam komme ich tiefer und auf den letzten Höhenmetern wird es noch mal richtig steil, aber schließlich stehe ich auf der weiten Sandfläche des Flußtales. Direkt am Fuß der Felsen finde auf einer erhöhten Sandterrasse einen einigermaßen geschützten Platz für das Zelt. Auf der Suche nach Wasser komme ich 200 m weiter zu einem Schneefeld das aber nur wenig trübes Schmelzwasser liefert. Schließlich finde zufällig ich in einem Eisloch, in das ich gerade mal meine Hand und das Berghaferl stecken kann, bestes, klares Wasser, das ich aus diesem seltsamen Brunnen schöpfen kann. Danach haue ich mich erst mal aufs Ohr und döse eine Runde im Zelt. Die Windböen sorgen dafür, daß auch im geschlossenen Zelt alles langsam aber sicher einstaubt.

Svešja

Breche gegen 18:00 Uhr zu einer kleinen Wanderung flußaufwärts auf um die Umgebung näher zu erforschen. Der Fluß Svešja selbst gefällt mir nicht besonders. Im Moment scheint er mir schlichtweg unpassierbar! Bis morgen Früh sollte der Wasserstand gefallen sein, sonst habe ich hier ein ernsthaftes Problem. Eigentlich habe ich hier einen Ruhe- und Reservetag eingeplant, aber sollte morgen wieder viel Sonne und Strahlungswetter sein, dann wird mit dem Schmelzwasser der Wasserstand noch weiter ansteigen. Also muß ich es schon am Morgen versuchen hinüber zu kommen. Hinter einer Felsschwelle verengt sich das Tal. Ich folge dem Fluß soweit wie möglich in das Leynidalur hinauf, das sich tief in die Mókollar eingeschnitten hat und so komme ich mich in einer ziemlich wilden Schlucht in der es bald kein Weiterkommen mehr gibt.

Leynidalur

Ich kehre um und finde einen steilen, aber guten Anstieg durch ein steiles, trockenes Bachbett mit vielen, schönen Strudellöchern, das mich aus der Schlucht herausführt. Am oberen Rand der Schlucht entlang wandernd komme ich schließlich auf eine Höhe, von der ich aus den Blick auf den Eisrandsee Hvítalón und die dahinterliegenden Wandfluchten des Hamarinn habe. Mache während der Pause einige Photos und bestimme meine Position mit dem GPS.

Hvítalón

Auf dem Rückweg studiere ich wieder den Fluß und markiere an der mir am günstigten erscheinenden Furtstelle mit einem Stein den aktuellen Wasserstand. War insgedamt 2 Stunden unterwegs und habe jetzt einen Riesenhunger. Schnell gekocht und dann an den Aufzeichnungen. Apropos: habe nach meinen Berechungen heute irgendwann meinen 2000sten Hochlandkilometer zurückgelegt!


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13. Tag Leynidalur - Svarthöfši