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2. Tag Múlaskáli - Kollumúlavatn

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Copyright © Dieter Graser

Montag 3. August 1998

Gut geschlafen. In der Nacht immer wieder mal kleine Unterbrechungen des Regens. Um 7:00 Uhr aufgewacht. Karten studiert und herumgetrödelt. Habe es nicht eilig, denn bis zur nächsten Hütte sind es nur 8 km, auch wenn ein steiler Anstieg mit dabei ist. Der Himmel ist etwas aufgelockert und ein Sonnenstrahl trifft das Zelt. Werde heute keinen Tee mitnehmen, denn noch sollte Wasser am Weg zu finden sein. Der Rucksack brachte gestern auf dem Flugplatz in Höfn 29 kg auf die Waage - das reicht. Meine Übernachtung bezahlt und noch einen kleinen Photogang gemacht. Das Wetter sieht gut aus. Das Zelt trocknet ab und ich hänge den Anorak zum Trocknen ins Birkengeäst. Marco und seine Freundin (die beiden aus dem Bus) wollen von hier aus ein paar Touren machen. Wir Fachsimpeln noch ein wenig und tauschen die E-Mail Adressen.

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(150 KB)Jökulsá í Lóni

Später Aufbruch um 10:30 Uhr. An der Hängebrücke vorbei, dann teilweise durch dichtes Birkengehölz immer am Fluß entlang. Nach etwa einer halben Wegstunde eine schöne Schlucht von rechts. Die Schlucht markiert eine geologische Störung und ihre Nordseite wird von einer Gangfüllung gebildet, die sich wie eine Mauer quer über das ganze Tal zieht. Ich freue mich schon über mein gutes Vorankommen, denn eine kleine Wanderergruppe die etwa eine gute halbe Stunde vor mir aufgebrochen ist, habe ich schon fast eingeholt. Sie sind gerade mal 100 Meter weiter auf der anderen Seite der Felsrippe. Der hohe Wasserstand versperrt den Weg direkt am Fluß und ein einzelner gelber Markierungspfahl weist den Hang hinauf. Über steilen Grus geht es zu einem Einschnitt in der Mauer. Auf der anderen Seite wird es richtig ungemütlich. Hier ist es noch steiler, brüchig, naß und schmierig. Von irgendwo weiter oben baumelt ein Plastiktau über eine Felskante herab. In das Tau sind ab "Weghöhe" Knoten eingeknüpft. Nur gilt es erst einmal die paar heiklen Meter bis zu dem Seil zu queren. Nirgendwo verläßlicher Fels - 3 mal wackeln und schon hat man hat ein Trumm Stein in der Hand. Die 10-15 Meter sind ziemlich hoch zum Runterpurzeln. Endlich kann ich mir das Seil mit dem Skistock angeln. Mit vollem Gewicht will ich mich aber nicht dranhängen. Wer weiß, wie lange die Felskante dort oben schon an dem Strick sägt. Ohne den schweren Rucksack könnte es fast Spaß machen. Schließlich habe ich mich heruntergschwindelt und weiß nun, daß es nicht an meinem heldenmäßigen Wandertempo gelegen hat, daß ich fast zu der Gruppe vor mir hatte aufschließen können - die sind inzwischen längst wieder aus meinem Blickfeld verschwunden.

Weiter am Fluß entlang. Zwischen den runden Basaltsteinen im Hochwasserbett bleckt ein alter Schafskadaver die Zähne. Erneut durch struppiges Birkendickicht. Erster Gegenverkehr. Ab jetzt geht es rechts den Talhang hinauf. Das Gewicht des Rucksacks macht den Aufstieg zu einer Schinderei. Immer wieder muß ich Pause machen, um wieder zu Luft zu kommen. Und doch geht es langsam höher. Habe wohl die letzten 2 Monate zu wenig trainiert und bin noch nicht eingelaufen. Während im unteren Teil der Schweiß in Strömen fließt, kühlt weiter oben ein frisches Lüftchen. Meine etwas leichtfertige Geringschätzung der "nur" 8 Kilometer langen Etappe bis zur nächsten Hütte habe ich längst revidiert. Immer wieder Pausen damit der Puls wieder runterkommt. Die Oberschenkel werden langsam hart und schmerzen. Auf einer Verebnung einige schöne Steinwarten und dann den letzten Stich hinauf. Die 600 Höhenmeter haben viel Kraft gekostet und ich bin froh, daß es nun flach wird. Immer den dicht gesetzten Pfählen nach folge ich der Pfadspur über das Hochplateau. Phantastischer Blick über das Jökulsdal hinweg nach Westen auf einen Talgletscher und den schmutzigrauen Fluß tief unten. Schließlich kommen der See Kollumúlavatn und die Egilsel Hütte in Sicht. 4,5 Stunden habe ich gebraucht.

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(150 KB)Tröllakrók

An der Hütte drei junge Belgier von der Gruppe, die mir voranging. Ein weiteres Paar ist gleich zur nächsten Hütte durchgestartet. Mir reicht es für heute erst mal. Etwas unterhalb der Hütte findet sich ein schöner Zeltplatz. Am Abfluß des Sees Wasser geholt und mir die verdreckten Beine gewaschen. Nachmittagsschläfchen im offenen Zelt. Der von gestern noch feuchte Anorak und die Überhose trockenen obenauf. Die Sonne wärmt. Um 17:00 Uhr schauen zwei junge Isländer vorbei. Sie sind die Vorhut einer größeren Gruppe des FÍ. Wieder restauriert unternehme ich noch einen ausgedehnten, zweieinhalbstündigen Spaziergang zum Tröllakrók und genieße den eindrucksvollen Blick über das Jökulsdal auf die Gletscher. Zurück im Zelt erst einmal gekocht. Habe einen Riesenhunger. Ohne Vorankündigung kommt ein böiger Nordwind auf. Spanne das Zelt auch über dem Eingang ab. Inzwischen ist die angekündigte Gruppe an der Hütte eingetroffen und macht sich dort breit. Werde nach den Aufzeichnungen dort vorbeischauen und mir ein paar Tips für die Querung des Eyabakkajökulls holen.

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(150 KB)Bach am Kollumúlavatn

Bei einer Tasse heißen Kakao erfahre ich dann: "the conditions on the glacier are quite perfect!".


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3. Tag Kollumúlavatn - Geldingafell