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3. Tag Kollumúlavatn - Geldingafell

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Copyright © Dieter Graser

Dienstag 4.August 1998

(Beginne am 6. August um 5:50 die Aufzeichnungen der letzten zwei Tage nachzuholen) Um 6:00 Uhr der Wecker. In der Nacht hat es ein paarmal auf das Zelt geregnet, aber jetzt ist alles trocken. Immer noch frischer Nordwind. Im Westen, über dem Vatnajökull, bzw. seinen Randbergen ist es frei. Im Norden und Osten hängen weißliche Regenschleier vor dunkelblauen Wolken. Brauche etwas länger als gewöhnlich zum packen. Gegen 8:30 Uhr mache ich meinen Eintrag in das Hüttenbuch. Die Isländer schlafen noch alle! Nach dieser Pflichtübung mache ich mich auf die Socken.

Erst an der Ostseite des Sees entlang und dann muß es wohl halbrechts den Hang hinaufgehen. Noch mal so um die 200 Höhenmeter. Bis zur Egilsel Hütte war der Weg deutlich ausgetreten und mit kleinen gelben Holzpflöcken gut markiert. Nach dem See verliert sich die Pfadspur und keine Pflöcke weit und breit. Ich kann es kaum glauben und verbringe einige Zeit vergeblich damit einen Weg zu suchen, den es offensichtlich gar nicht gibt. Also suche ich mir eben meinen eigenen Weg den ziemlich steilen Hang hinauf. Bin in deutlich besserer Form als gestern. Schöner Blick zurück und hinunter auf den See und die Hütte. Eine felsiger Absatz bildet die Kante zu dem höchsten Plateauniveau. Ich ziehe mich noch mal unter die Kante zurück und krame die langen Faserpelzhosen und den Anorak aus dem Rucksack, denn oben pfeift ein empfindlich kalter Nordwind über die Hochebene.

Die Wolken sind so tief, daß sie alle markanten Peilpunkte verschluckt haben und der feine, waagrechte Nieselregen verbessert die Sicht auch nicht gerade. Unter diesen Bedingungen bin ich froh um die Koordinaten der Wegpunkte, die ich im Internet gefunden habe. Ich navigiere mit GPS, Kompaß und Karte. Der Untergrund ist unangenehm grobes Geröll oder Blockwerk. Selten einmal ist ein Fußabdruck in weicherem Boden zu finden und bestätigt, daß ich mich auf dem richtigen Weg befinde. An vielen kleineren und größeren Seen entlang hangele ich mich weiter. Gegen Mittag begenet mir das Paar, das gestern die Egilsel Hütte verließ als ich dort eintraf. Auf ihrem Rückweg sind sie zu weit nach Osten gekommen und suchen gerade den richtigen Weg. Sie erzählen mir, sie hätten die Hütte am Geldingafell ganz für sich alleine gehabt - was für ein Glück! Ich kann ihnen noch den Weg weisen und dann trennen wir uns wieder.

Der Abfluß des Fremstavatn ist ein ziemlich breiter Bach der gleich nach dem See einen hübschen Wasserfall bildet. Oberhalb des Falles ein einsamer, automatischer Pegel zur Wasserstandsaufzeichnung. Dort mach ich mich ans Furten. Das Wasser ist gut knietief und es ist gerade mal Regenpause. Die Sonne ist hinter den feuchten Schwaden allenfalls zu erahnen. Dann weiter am westlichen Seeufer entlang. Im weichen Uferschlick die Spuren der Gruppe die gestern in Gegenrichtung unterwegs war. Über eine kleine Steilstufe steht der See in Verbindung mit dem Mišvatn und mit dem Innstatvatn. Grobes, teilweise metergroßes Blockwerk zwingt immer wieder zu mühsamer Kletterei. Als letzten See erreiche ich den Keldurvatn. Die Wolkendecke hat sich etwas gehoben und zumindest die untere Hälfte des Geldingafell wird sichtbar und gibt eine "terrestrische" Orientierungsmöglichkeit. Nun entlang an einem hübschen Bach, der den Keldavatn nach Norden hin entwässert weiter Richtung Geldingafell Hütte. Die Wolken sind zwar höher aber die Tropfen dafür dicker geworden. Weit kann es nicht mehr sein. Endlich entdecke ich die Hütte etwa 30 Meter höher auf einem Sporn zwischen dem Bach des Keldavatn und der Blandá, welche von Westen zufließt. Also noch die letzten Meter hoch und den kleinen Hüttenbach gequert.

Geldingafell Geldingafell

Die Hütte ist von außen verriegelt, demnach sind außer mir keine Gäste da - auch nicht schlecht. Im Vorraum steht ein großer Wasserkanister den ich mir erst einmal schnappe und unten am Hüttenbach auffülle. Im Vorraum ist genügend Platz, um meine nassen Klamotten großzügig verteilt zum Trocknen aufzuhängen. In der kleinen Küche ein ebenso kleiner Ofen. Als Brennholz gibt es jede Menge Spanplattenverschnitt - natürlich feucht. Es findet sich auch noch eine Flasche Grillkohlenanzünder, zumindest steht das auf der Flasche und der Inhalt riecht brennbar. Das plus Toilettenpapier bringt den Ofen nach mehreren Versuchen dann einigermaßen in Gang, obwohl er erbärmlich schlecht zieht. Da ich in Socken herumspaziere kehre ich die Hütte auch noch schnell aus. Gerade habe ich es mir gemütlich gemacht als die Vorhut einer Wandergruppe in die Hütte rumpelt. Eine halbe Stunde später teile ich die Hütte mit 18 durchnäßten Isländern. Überall tropfen nasse Anoraks, Überhosen und Rucksäcke. Im Vorraum stapeln sich lehmverschmierte und aufgeweichte Bergschuhe - das Auskehren hätte ich mir sparen können. Die Hütte ist randvoll. Ich bleibe in der Küche und versuche den Ofen in Gang zu halten während der inzwischen aufgekommene Sturm den Rauch immer wieder in den Kamin zurückdrückt und für eine "Rauchkuchel" sorgt. Irgendwoher treibt jemand einen Vorrat an Birkenholz auf und ein anderer macht sich auf dem Dach am Kamin zu schaffen und schließlich heizt der kleine Ofen nach besten Kräften und der große Wassertopf köchelt vor sich hin.

Unterhalte mich noch ziemlich lange mit dem Führer der Isländer. Sie sind heute bei Regen, Wind und schlechter Sicht über die Gletscherzunge des Eyakbakkajökulls und dann noch über die Berge gekommen. Ich bespreche mit ihm meine morgige Route und er gibt mir den Rat mich möglichst hoch am Berg zu halten und die vielen Bäche und Schluchten über die spaltenfreien Eisfelder zu umgehen. Ja, wenn nur das Wetter paßt. Im Laufe des Abends kommt noch etwas die Sonne heraus aber es pfeift eiskalt vom Vatnajökull herunter. Die Gruppe ist von der langen und schwierigen Tagesetappe so geschafft, daß recht früh Schluß ist und Ruhe in die Hütte einkehrt. Auch ich bin müde und schlafe schnell ein.


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4. Tag Geldingafell - Eyjabakki