Zurück zur Hauptseite

10. Tag; Kreppa - Jökulsá á Fjöllum

Inhalt Home

Copyright © Dieter Graser

Dienstag, 11. August 1998

Der Tag läßt sich gut an. Bis auf ein paar Lenticularis, die zeigen woher der Höhenwind kommt, ist fast wolkenlos. An meinem geschützten Fleckchen ist kaum ein Luftzug zu spüren. Frühstück, ein paar Photos gemacht, zusammengepackt und um 8:15 Uhr los.

An den Strudellöchern nahe der Kreppabrücke noch zusätzlich einen Liter Trinkwasser getankt. Nach der Brücke dann gemütlich nach Süden auf die Pyramide des Upptyppingar zu. Ein einzelner großer Lenti verdeckt die Sonne und so wird der inzwischen doch noch aufgekommene Wind unangenehm kühl. Nach einer Wegstunde ziehe ich die langen Hose und den Anorak an. Gleich nach dem erneuten Aufbruch löst sich die Schnalle des Hüftgurtes und ich muß gleich wieder eine technische Pause einlegen um den Rucksack zu reparieren. Bin heute nicht besonders flott unterwegs. Das schöne Wetter und der jetzt kräftige Süd- und damit Gegenwind stimmen mich bedenklich. Ich kenne die Ecke hier und wenn gegen Mittag der Föhn vom Vatnajökull herunter so richtig aufbaut, dann gibt's wieder mal einen schönen Sandsturm. Bin gestern 7 km weiter gekommen als vor 4 Jahren, also etwas früher dran am Tag. Noch hält sich der Flugsand in Grenzen. Möchte nicht gerade behaupten, daß ich jeden Stein wiedererkenne aber es sind doch ein paar bekannte Lavafelsen darunter. Östlich des Upptyppingar geht es in vielen Windungen zwischen bis zu 5 m hohen Basalt und Lavablöcken hindurch. Begegnung mit den ersten Geländewagen. Nutze einen der großen Blöcke zu einer kurzen Pause. Dann wird es wieder flach und sandig. Wie vor 4 Jahren brauche ich die Sturmhaube um nicht zu viel Sand zu fressen. Wind und Sandtreiben nehmen zu, aber es macht mir nicht so viel aus wie damals. Vielleicht bin ich etwas abgeklärter geworden. Ich verlängere die Skistöcke etwas, daß ich sie wie beim Langlaufen nach richtig nach hinten durchziehen und mich abstoßen kann.

Kreppa

Komme wieder in das Sandloch am Lónshnjúkur das in Erinnerung an die Sahara "Gassi Touil" genannt habe. Die gleichen Bedingungen wie damals, böiger Gegenwind und Sand, Sand, Sand. Nur etwa 10°C kühler und damit etwas angenehmer. Die Piste ist fast vollständig verweht und die Spurrillen sind mit tiefem, weichen Sand gefüllt. Späte Mittagspause auf einem Felsen am Rand des Lavafeldes. Wenig Verkehr. Alle halbe Stunde mal ein, zwei Fahrzeuge. Der Kreppulón, ein flacher See in einem durch den Lavastrom verlegten alten Tal der Kreppa, hat dieses Jahr Wasser und reicht bis nahe an die Piste. Das flache Wasser ist schmutzig braun und aufgewühlt. Ein einzelner, schwer beladener Mountainbiker segelt auf Gegenkurs mit Rückenwind an mir vorbei. Ein Geländewagen mit Bamberger Nummer hält an und der Fahrer grüßt mich vom Jenbacher, der irgendwo hinter mir gegen den Sand kämpfen muß. Er fragt mich, ob er mir auch irgendwie helfen kann. Nein, danke, alles bestens! Den Grund für seine Frage erfahre ich allerdings erst später. Kürze vor der ersten Abzweigung der F903 direkt nach Westen ab und erspare mir so etwa 2 km weichen Sand. Die Stein- und Lavaplatten sind aber auch nicht viel angenehmer. Wenigstens kommt das Sandstrahlgebläse nun von der Seite und nicht mehr von vorn. Wieder auf der Piste habe ich endlich Rückenwind und kann zwei Schweizer Radlern Hoffnung machen, die ihre Räder gegen den Wind durch den Sand zerren.

Gegen 15:30 Uhr erreiche ich die Brücke über die Jökulsá á Fjöllum. Finde meinen alten Zeltplatz im Lee eines großen Felsblocks gleich wieder und baue etwas mühsam das Zelt dort auf. Schließlich ist zwar alles eingeräumt aber mit einer Schicht aus schwarzem Sand und Staub bedeckt. Es scheint, als sei der Staub so fein, daß er sogar durch den Stoff es Innenzeltes rieselt - wie damals. Also Augen zu und erst einmal ein Nickerchen machen. Später dann gekocht und gegessen. Habe diesmal genug gutes Wasser dabei und muß nicht knauserig sein. Gegen 19:00 Uhr trudelt der Jenbacher ein - fix und fertig. Er sieht aus wie nach einer Schicht im Kohlebergwerk, aber vielleicht sollte ich mich selbst einmal in einen Spiegel betrachten! Zu seiner weiteren "Entlastung" hatte der Jenbacher dem Bamberger einen Teil seines Specks vermacht. Darum hat er wohl gefragt ob er mir auch helfen kann. Dachte wohl ich hätte auch überflüssigen Speck! Die Geschichte des Jenbachers mit seinem Speck erinnert mich irgendwie an das Märchen vom "Hans im Glück".

Der Wind hat, wie es sich für den Abend gehört, deutlich nachgelassen. Mache einen Photospaziergang zur Jökulsá. Der Fluß donnert und tobt mächtig und der Wasserstand steigt. Ein kleines Rinnsal schickt sich an, weit oberhalb die Hochwasserrinne wiederzubeleben in der, wenn auch etwas erhöht, mein Zelt steht. Trotz allem, so ganz hat mir der Platz schon damals nicht gefallen (siehe Anmerkung ). Treffe auf der Brücke ein nettes Paar aus Holland. Sie sind mit Geländemotorrädern unterwegs und hatten von dem Sandsturm überhaupt nichts mitbekommen. Kann ihnen einige Auskünfte geben. Zurück im Zelt etwas Staub gewischt und mit den Reißverschlüssen gekämpft: platzen überall auf, sobald sie Sand sehen! Aufzeichnungen und dann schlafen ohne sich durch die nahe Jökulsá beunruhigen zu lassen. Im Schlafsack liegend vernehme ich draußen noch Stimmen - italienisch. Zwei neu angekommene Radler, stilecht in bunten Werbetrikots, suchen lange, ausgiebig und wortreich nach einem geeigneten Platz für ihr Zelt.

Anmerkung:
Ein Jahr später, Anfang August 1999, wurde durch den Ausbruch eines Gletscherstausees in der Kreppa eine gewaltige Hochwaserwelle ausgelöst welche zu großen Überschwemmungen an der Kreppa und an der Jökulsá á Fjöllum führte. Siehe Bericht in Daily News of Iceland. Mein schlechtes Gefühl war also nicht unberechtigt und man sollte sich der Gefahr bewußt sein, wenn man in unmittelbarer Nähe großer Gletscherflüsse zeltet!
Zurück zu Inhalt
11. Tag Jökulsá á Fjöllum - Herðubreiðarlindir