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17. Tag; Botni - Sellandafjall

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Copyright © Dieter Graser

Dienstag, 18. August 1998

Ruhige Nacht - von etwas Sonne auf dem Zelt geweckt. Fast Windstille. Noch etwas weiter gedöst dann aber Frühstück und Packen. Verschließe noch die Hütte, die ich für die angekündigten, aber nicht eingetroffenen Gäste offengelassen hatte. Beim Besuch der sog. "Toberlonehütte", dem dreieckigen Klohäuschen, donnere ich mit dem Schädel an einen Balken. Der Mützenschirm läßt einen die von oben drohende Gefahr nicht erkennen, die Mütze selbst aber verhindert Schlimmeres - nicht zum ersten Mal.

Vor dem Start ziehe ich doch noch die leichtere Hose an und sie und die Jacke kommen hinten an den Rucksack. Allerdings ziehe ich gleich die dünne Sturmhaube über, denn meine kleinen grauen Freunde sind schon wieder in Heerscharen unterwegs. Es ist ihr Wetter, vielleicht eine Spur zu trocken. Macht ihnen aber nichts. Sie umschwirren unermüdlich meinen Kopf und versuchen in Augen, Mund, Nase und Ohren zu fliegen. Mit der Sturmhaube sehe ich zwar aus wie ein Bankräuber, oder einer vom SEK, doch sie ist effektiv und ich muß nur ab und zu einen der Plagegeister aus dem Auge wischen. Meine Hoffnung ruht auf auffrischendem Wind im Laufe des Tages.

Suğurá

Zuerst vorbei an den Quellen und dann weiter am rechten Ufer der jungen Suðurá entlang. Nach etwa einer Stunde erreiche ich die Ruine einer alten Schaftreiberhütte (isl.: kofi). Mache dort aber nur kurze Pause, denn alle Mücken der näheren Umgebung freuen sich über den Besucher. Ich verlasse nun die Piste, denn diese führt etwa einen Tagesmarsch weiter nach Norosten nach Svartárkot dem letzten Hof im östliche Bárðardalur. Ich will aber direkt nach Norden zum Mývatn und halte auf den Sellandafjall zu. Es geht über eine weite, grüne Bucht, die Botnaflesja. Ich wate durch stiefelhohes Zwergbirkengestrüpp wie durch einen dichten, weichen und leicht gewellten Teppich. Nach etwa 3 Kilometern endet diese grüne Oase abrupt mit einer 2 - 3 Meter hohen, senkrechten Erosionskante. Vom Wind unterhöhlt, das Feinmaterial ständig ausgeblasen, rollt sich die Vegetationsdecke nach unten über die Kante ein bis sie unter ihren eigenen Gewicht abbricht. Schafe benutzen diese Höhlungen als geschützte Ruheplätze und sorgen gleichzeitig dafür daß die Erosion immer weiter frische Angriffspunkte findet. Das Niveau Landschaft um die Botnaflesja liegt eben diese paar Meter tiefer. Steinpflaster, alte Lava, Sand, einige Flechten, Steinnelken und die weißlich verwitterten wurzelartig, kriechenden Stämmchen, oder Zweige, der Zwergweidensträucher. Unterhalb der Kante ein Schafsskelett und nicht weit davon auch der Schädel eines Lammes.

Dann weiter Richtung Sellandafjall über alte Lava. Flache Rücken und in den Senken moosiger Schutt. Wenn ich geglaubt hatte Mücken gäbe es nur in Wasser- oder Vegetationsnähe, so habe ich mich getäuscht - es gibt sie überall! Und im Trockenen sind sie sogar noch lästiger. Der einzige Trost ist, daß kaum stechen und wenn, dann nur wenn man nicht in Bewegung ist. Ab und zu verstärkt sich das laue Lüftchen zu einer sanften Brise von vorn und die Mücken versammeln sich hinter dem Rucksack. So habe ich sie wenigstens für kurze Zeit nicht vor und im Gesicht schwirren. Ich ziehe die Maske von Nase und Mund und kann endlich wieder "ungefiltert" atmen. Nur der Wind will und will nicht auffrischen, um mich von den Viechern zu befreien. Ein kleiner Bach bei Annäherung an den Sellandafjall muß gefurtet werden. Beim Wechseln von den Sandalen in die Bergschuhe trotze ich meinen Begleitern an einem erhöhten und windexponierten Ort eine kurze Mittagspause ab. Ich habe eine Piste erreicht und folge ihr bis zur Westseite des Sellandafjall. Die Mücken haben mir alle Pause verleidet und so bin ich viel schneller als ich nötig. Es sind eh nur 18 km für heute gewesen und hier an der Westseite des Sellandafjalls gibt es bis auf weiters die letzte Möglichkeit Wasser zu finden. Üppig sieht es damit allerdings nicht aus und so bin ich schließlich froh einen trägen, sandigen Bach zu finden. Die "Wiesen" in Bachnähe sind ziemlich bucklig und so muß ich lange nach einem flachen Platz für das Zelt suchen.

Ungewöhnlich früh, um 14:30 Uhr kann ich mich schließlich in das Zelt retten. Der Eingang ist weit geöffnet denn die Sonne heizt das kleine Zelt auf, aber das Moskitonetz sorgt für Ruhe und Frieden. Mit einem leichten "Plopp" regnen die Mücken auf das gespannte Außenzelt - sollen sie doch! Endlich dazu gekommen meinen Tee zu trinken und dabei eine Tafel Schokolade vernichtet. Nachmittagsschläfchen und danach gelesen. Zwei Jeeps mit johlenden und winkenden Teenager fahren auf der nur wenige Meter entfernten Piste vorbei. Sie sind ebenso überrascht wie ich. Hier trifft man sicher nicht jeden Tag jemanden. Dann ist wieder Ruhe - bis auf das leise Mückenprasseln. Abendessen und Aufzeichnungen. Die Wetterlage ist ruhig bei leichtem Westwind und einer hohen Wolkendecke. Morgen Abend werde ich wohl schon in Dæli bzw. Möðruvellir sein. Brauche dringend eine Dusche oder ein Bad. Katzenwäsche reicht nicht mehr. Der Sand und Dreck sitzt in den Poren.


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18. Tag Sellandafjall - Mıvatn