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Leuchtturm Reykjanesviti
Gegen 10:00 Uhr schultere ich den Rucksack. Hinter mir die leichte Brandung des Atlantiks und
vor mir liegen ganz Island und 5 Wochen Zeit. Einfach nach Nordosten laufen. Mein letztes
Depot liegt am Mývatn - so kann ich maximal 600 km bis zur Ásbyrgi gehen. Reservetage habe ich
diesmal nicht eingeplant also verkürzt jede Verzögerung die mögliche Strecke. Einen Tag habe ich
schon verloren, aber darüber brauche ich mir jetzt wirklich noch keine Gedanken machen. Diese
Tour ist so voller Fragezeichen, daß schon das Übermorgen ferne Zukunft ist.
Aufbruch
Eldvörp
In einem engen Tälchen zwischen Berghang und Lava steht
schließlich die gesuchte Hütte. Schön, neu gebaut, mit einem durch einen Holzsteg vebundenem Haupt-
und einem Toiletten- und Waschhaus!
Endlich kann ich meinen Rucksack abstellen. Zu früh gefreut, die Hütte ist zwar neu und fertig, aber
verschlossen und die sanitären Einrichtungen sind nicht angeschlossen - kein Wasser! Auf der
Rückseite der Hütte ist eine Fensterscheibe mit eine Markierungspfahl eingeschlagen worden.
Haben sich da enttäusche Wanderer mit Gewalt Zutritt verschafft? Vandalismus ist eine
Zivilisationskrankheit.
Þorbjörn
Der Badesee ist neu angelegt, modern ausgebaut und nun auch etwas vom Kraftwerk entfernt. Das warme
Salzwasser tut unendlich gut und ich paddle auf dem Rücken liegend durch den dampfende See.
Zwischen den Dampfschwaden ein paar fast überirdische Erscheinungen. Eine Gruppe von
Photomodellen entspannt sich hier vom anstrengenden Shooting. Na ja, da darf das Auge schon mal
etwas länger verweilen. Der weiße Kieselalgenschlamm ist bekannt für seine kosmetische Wirkung
und wird sogar exportiert. Doch den Schönheiten wird die Schau gestohlen, als plötzlich ein
Gruppe von etwa 20 jungen Mädchen (eine hübscher als die andere) zu singen anfängt. Ein
Mädchenchor verzaubert alle Gäste. Mit weißen Schlammasken, teils bis zum Hals
im Wasser, in Dreier- oder Vierergruppen, je nach Stimmlage, den Gesang mit Gesten und Mimik
untermalend. Diese Mädchen (der dänische Rundfunkchor, weiß irgendjemand) waren von solch
einem natürlichem Charme, daß niemand sich mehr nach den Models umdrehte sondern nur noch
den kleinen Meerjungfrauen lauschte. Der Beifall war entsprechend und es gab auch noch eine
Zugabe.
Am Waschbecken in den Duschräumen habe ich noch 5 l Wasser für die nächsten 2 Tage
aufgetankt. Für den Weg zurück zum Zelt brauche ich über eine Stunde. In der Nachbarlichtung hat
sich ein gelbes NorthFace Zelt eingefunden. Koche mir um 23:00 Uhr etwas zum Essen. Habe seit
dem Skýr zum Frühstück nichts mehr in den Magen bekommen.
Das Wetter sieht gut aus. Zum Frühstück verdrücke ich 500g Blaubeerskýr. Weiter nach Topf und
Besteck gefahndet. Der Platz ist ja wirklich klein und die Gruppe von Nordwind-Reisen hat ihn
auch nicht versehentlich eingepackt. Ein Rätsel - Topf und Besteck sind und bleiben verschollen.
Hans spendiert mir eine Gabel aus seinem Tafelsilber! Bei schönstem Wetter brechen wir auf und
fahren mit seinem VW-Camper zum Leuchtturm Reykjanesviti. Ich steige noch auf den Hügel, auf
dem der Turm steht und mache ein paar Photos.
Ich verabschiede mich von Hans mit einem Danke und Servus und folge den gelb-blauen
Markierungspflöcken, von denen ich mal annehme, daß sie den Beginn des Reykjavegurs
bezeichnen. Wie der Beschreibung nach führen sie erst mal nach Norden. Komme nur mühsam in
die Gänge. Der neue Rucksack will erst richtig eingestellt sein. Die ebenfalls neuen Stiefel
hören sofort auf am Rist zu drücken, sobald sie merken, daß es ernst wird. Über Sand, kippeliges
Lavageröll und ohne erkennbare Pfadspur geht es von Pflock zu Pflock. Lege viele kurze Pausen
ein. Meine konditionelle Vorbereitung war in diesem Jahr so schlecht wie noch selten. Training on
the trail? Lange begleitet mich das donnernde Fauchen eines Geothermalkraftwerks. Der Weg folgt
einer alten Piste und bei einem kleinen See biegt er nach Osten ab und quert eine Straße. Danach
wieder weglos den Markierungspflöcken nach. Beim Erreichen des Prestustigur mit seinen Steinwarten
gönne ich mir eine Pause und ein kurzes Schläfchen auf der Heide. So stelle ich mir eine Tour vor!
Es ist warm und ab und zu bringt eine Brise vom Meer her leichte Kühlung. Ab dem Presturstigur
gibt es auch nun auch eine Pfadspur, die das Gehen deutlich erleichtert. Zu der Kraterreihe der
Eldvörp geht es teilweise auf einer parallel laufenden Piste. Über und entlang der Kraterreihe
fordert der Weg mit kurzen Auf- und Abstiegen und vielen Stufen wieder Vorsicht und Kraft. Aber
es ist abwechslungsreich. Etwa alle Stunde donnern mit etwas Abstand zwei Icelandair Maschinen
im Anflug auf Keflavík über mich hinweg.
Schöne Dampfaustritte am Ende der Eldvörp Kraterreihe. Dann geht es direkt auf die SW-Seite des
Berges Þorbjörn (Þorbjarnarfjall) zu. Etwas Kletterei bei der Überquerung einer breiten Spalte.
Halbrechts liegt nun
wieder Grindavík und hablinks die "Blaue Lagune" Bláa Lónið. Und wo bitte ist die Hütte? Der
Weg wendet sich
erst nach Süden und dann biegt er wieder scharf nach Norden ab. Also geht der Weg doch um die
Nordseite des Þórbjörn herum.
Mit schwerem Herzen und noch viel schwereren Beinen weiter. Teilweise etwas mühsam am Hang
entlang. In der Felswand oben am Berg streiten lauthals Möven. Ich erreich das kleine
Aufforstungsgebiet Baðvellir am Nordrand des Þórbjörn. Ein schwarzweißes Kaninchen hoppelt
mir über den Weg und verschwindet in der Lava. Wie bitte???? Ein Kaninchen? Sehe ich jetzt
schon Kaninchen? In einer kleinen Lichtung am Rand der Aufforstung ein Rast- und Zeltplatz. Vier
isländische Jugendliche haben gerade ihre Zelte zusammengepackt und warten darauf von ihrem
Wochenendausflug abgeholt zu werden. Ich ergattere von ihnen eine Tüte mit vier Einmallöffeln
aus Platik, die sie in die Mülltonne werfen wollten. Einer erzählt mir ganz begeistert: " ... you know,
here are rabbits! Even young ones!" Das beruhigt mich dann doch ungemein. Also doch keine
Gespensterkaninchen!
Baue schnell mein Zelt
auf, werfe Wassersäcke, die Flasche und die Badesachen in den leeren Rucksack und mache mich
auf den Weg zur Blauen Lagune. Es ist nun 19:45 Uhr und Luftlinie sind es höchstens ein Kilometer
bis zu dem Geothermalkraftwerk, aber dawischen liegt das Illahraun, was sich mit "schlimmes
Lavafeld" übersetzen läßt. Also außen herum über die Straße. Trotz ordentlichem Tempo brauche
ich 45 Minuten bis zum Bad Bláa Lónið, Islands berühmtesten Bad.
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2. Tag: Þorbjörn - Brattháls