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Der Wecker piepst um 6:00 Uhr, das Zelt wackelt ordentlich. Der Blick nach draußen bietet einen unstrukturierten
graublauen Himmel - sieht sehr feucht aus. Während ich noch faul im Schlafsack liege, setzt Regen ein und der Wind
verstärkt sich. Er kommt ziemlich genau aus Norden und steht direkt auf dem Zelteingang. Während ich hin und
her überlege, was ich machen soll, peitscht der Regen immer heftiger auf das Zelt und nimmt mir die Entscheidung ab. Nein, nein,
das ist kein Wetter zum Gehen. Ich kuschle mich zurück in den Schlafsack. Halbschlaf bis etwa 10 Uhr. Inzwischen kann man schon von Sturm sprechen und es wird Zeit das Zelt besser zu
sichern. Ich muß also wohl oder übel in die Regenklamotten und raus. Die Sturmleinen müssen umgesetzt
und die Firststange am Eingang muß über einen Skistock abgespannt werden sonst bricht sie hinter dem
Gestängekreuz. Da richtet man abends sein Zelt perfekt aus und dann dreht der Wind über Nacht um 180°
und legt so richtig zu. Man sollte gleich andersherum aufbauen! Meine "gute" Sturmleine ist aus irgendeinem Grund nicht
im Heringssack, nur zwei alte Baumwollbändsel. Ich baue um und bin einigermaßen zufrieden. Der Wind ist
zwar nicht gerade "umwerfend", aber das Gleichgewicht will schon aktiv gehalten werden. Naß zurück ins Zelt.
Trocknen und wieder in den Schlafsack. Heißer Tee aus der Thermosflasche, etwas Schokolade und dann wieder
eine Runde dösen. Gegen 13:00 Uhr hat es aufgehört zu regnen. Der Wind ist unverändert stark. Im
Norden blaue Löcher am Himmel. Die Wolken beginnen aufzureißen. Studiere die Karte und mache diese
Eintragungen. Um 14:00 Uhr scheint die Sonne zum ersten Mal wieder kurz auf das Zelt. Der Wind ist zwar kein Spaß,
aber ohne Regen könnte ich doch heute noch ein Stück gehen. Bis zum Þórisvatn sind es
etwa 12 km, das wäre dann die nächste Stelle an der ich sicher Wasser finden werde. Erinnert mich an letztes
Jahr, da bin ich auch einmal erst um 17:00 Uhr aufgebrochen. Also los! Um 15:30 den Rucksack auf die Schultern gewuchtet, über die Brücke beim Kraftwerk Sigalda und dann
die erste lange Steigung hinauf. Meine Zeltplatz lag relativ geschützt. Je höher ich nun komme um so
stärker bläst mir der Wind schräg von links vorne entgegen. Auf der Höhe habe ich zwar einen
phantastischen Blick bin aber voll exponiert. Photo nach Osten - Sandfahnen vor den Bergen. Der vegetationsfreie Boden
hat genug abgetrocknet, so daß der Sand in Bewegung kommt. Trage Sturmhaube und Brille. Erst geht es wieder
etwas bergab und dann wieder eine flache, lange Steigung auf ein Plateau. Das Gehen gegen den Wind ist sehr
anstrengend - alle viertel Stunde eine Pause. Die Zweifel nehmen zu. Wie wird es erst oben auf dem Plateau stürmen?
Nach rechts zweigt eine Piste zum Vatnsfell ab und weiter unten ist ein fast ausgetrocknetes Flußbett zu erkennen.
In der Schlucht oberhalb befindet sich der Staudamm des Þórisvatns. Ich gebe dem Sturm nach. Im Schutz des etwa 5 m hohen Straßendammes baue ich mein Zelt wieder auf. Hier ist es fast ruhig. Allerdings
"regnet" es in Boen schwarzen Sand. Die Reißverschlüsse des Zeltes nehmen das sehr übel, klemmen
oder platzen gleich wieder auf. Schließlich fliegt nicht nur das Gepäck sondern auch jede Menge schwarzer
Sand mit ins Zelt. Hole Wasser aus einem stehendem Gumpen im Flußbett - fließendes Wasser gibt es hier zur
Zeit wohl nicht. Laut GPS bin ich nur 5,3 km Luftlinie vorangekommen, also etwa 7 km gegangen. Kaum was gewonnen,
aber vielleicht bin ich morgen froh darüber. Damit wäre ich also einen Tag hintendran, aber ich habe eine Reserve
eingeplant. Riesenappetitsuppe Linseneinstopf mit Spaghetti gestreckt und Tee von Vormittag als Abendessen. An den
Aufzeichnungen. Fast kein Wind mehr zu spüren. Was macht das Wetter wohl als nächstes?
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12. Tag: Sigalda - Kaldakvísl