|
|
---|
Schon um 4:30 Uhr wach - wohl zu viel geschlafen gestern. Der Hals kratzt nicht mehr, Schnupfen besser, leichter
Husten - kennen wir ja. Am Zelt immer noch kaum Wind spürbar. Hohe Bewölkung mit einzelnen, kleinen
Aufhellungen.Werfe beim Frühstück einen Blick in die Karten und auf den Weg der nächsten Tage. Aufbruch um 6:30 Uhr. So früh bin ich sicher noch eine ganze Zeit alleine auf der Piste. Zum Aufwärmen
gleich die lange Steigung, an der ich gestern verweigert habe. Die Wetterlage hat sich wirklich umgestellt. Eine leichte
Brise aus SSE bringt etwas Nieselregen. Habe die Regenhülle aufgezogen und den Anorak an. War die Landschaft
auf dem Weg von Landmannalaugar nach Sigalda von Lavafeldern und schwarzem Sand bestimmt so ist es jetzt eine weite,
kuppige Grundmoränenlandschaft. Bis auf ein paar verlorene Steinnelken fast vollkommen vegetationslos, bedeckt
von schwarzblauem Kies und grauen, polierten Windkantern. Wie gebleichte Vogelknochen ragen hin und wieder dünne,
tote Weidenwurzeln aus dem Steinpflaster. Das Wetter trägt auch nicht gerade dazu bei diese Landschaft
fröhlicher aussehen zu lassen. Von der Höhe habe ich einen weiten Blick über den
Þórisvatn: 20 km lang und bis zu 7 km breit, Islands größten (Stau-)See. Es geht wieder bergab
bis unmittelbar ans Seeufer. Dort angekomen setze ich mich auf einen der großen Felsblöcke aus denen der
Damm der Piste aufgeschüttet ist und entlaste den Rücken vom Rucksack. Nehme die GPS Position. Das
Wasser im See ist klar und still. Der Nielselregen hat aufgehört. Weiter westlich sind in einiger Entfernung die
Markierungen einer Piste zu erkennen, die von SW in die F28 einmündet. Dort steht auch eine schmale, hohe
Hütte die fast wie ein Klohäuserl aussieht. Ist es diese winzige Hütte in der Christian E. Hannig 4
Tage lang in einem Sandsturm festsaß und kaum wagte zum See zu gehen um Wasser zu holen (siehe: Christian
E. Hannig: "Polarlicht - Radabenteuer in Skandinavien, Island und Grönland", Seite 166)? Wieder geht es hinauf und dann in einem weiten "S" hinab in das nordwestlich des Sees gelegene Tal des
Kaldakvísels. Die Piste quert zwei seiner linksseitigen Zuflüsse. Der erste Bach ist recht hübsch mit
einem kleinen Wasserfall und auch etwas "Gewässerbegleitgrün". Eine neu gebaute Brücke. Die Bohlen
duften nach frischgesägtem Holz. Die Intensivität mit der ich diesen organischen Geruch wahrnehme verdeutlicht
mir erst die Reinheit dieser isländischen Wüstenluft. Dann weiter noch etwa 5 km bis zum nächsten Bach
der in der Karte mit einer Furt eingezeichnet ist. Kurz vorher holt mich ein einsamer, schwer beladener Radler ein.
Das übliche "Where are you from?" - dann geht die Unterhaltung auf Deutsch weiter. Er ist ziemlich überrascht,
als ich ihm erkläre, daß ich hier an diesem Bach bleiben werde. Mein Tagwerk (21 km) ist getan. Es ist zwar erst
Mittag, ich bin gut gelaufen, aber in der letzten Stunde hat es sich gut eingeregnet und von hier bis Versalir gibt es keine
erreichbare Wasserstelle mehr. Es hat keinen Sinn heute zu versuchen den "verlorenen" Tag wieder hereinzuholen. Mein Bach ist zwar nur einen guten Meter breit, aber hat schöne, moosige Ufer und und etwas Vegetation an
seinem Rand. Etwa 150 m oberhalb der Furt finde ich ein schönes Plätzchen für das Zelt. Gerade beim
Aufbauen duscht es mal wieder so richtig. Wie immer erst mal ein kurzes Nickerchen, dann einen gemütlichen Tee
aus der Thermosflasche und das Tagebuch weitergeführt. Immer wenn die Sonne zwischen zwei Regenschauern
herauskommt, schnell nach draußen und den Anorak trocknen - auch eine Nachmittagsbeschäftigung. Gegen
Abend dann eine besonders lange Aufhellung, sogar sonnig, dafür etwas frischer östlicher Wind. Spaziergang
dem Bach entlang. Etwas weiter bachauf ist eine feuchte Verebnung (ca. 0,5 km²) mit dichtem Pflanzenbewuchs. Eine
Staffel Graugänse und zwei Schafe haben hierher gefunden. Dieses Moor erklärt auch den ausgeglichenen
Abfluß im Bach. Zum Abendessen Jägertopf mit ein paar Spaghetti verlängert. Anschließend
abgespült und auch etwas Körperpflege. Langsam wird mal wieder eine Vollwäsche fällig. Nach
einem Schauer wieder weiche Abendsonne auf dem Zelt. Werde noch etwas Lesen und mich dann vom Bach in den
Schlaf murmeln lassen.
Zurück zu Inhalt
13. Tag: Kaldakvísl - Versalir