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12. Tag: Sigalda - Kaldakvísl

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Copyright © Dieter Graser

Dienstag, 6. August 1996


Schon um 4:30 Uhr wach - wohl zu viel geschlafen gestern. Der Hals kratzt nicht mehr, Schnupfen besser, leichter Husten - kennen wir ja. Am Zelt immer noch kaum Wind spürbar. Hohe Bewölkung mit einzelnen, kleinen Aufhellungen.Werfe beim Frühstück einen Blick in die Karten und auf den Weg der nächsten Tage.

Aufbruch um 6:30 Uhr. So früh bin ich sicher noch eine ganze Zeit alleine auf der Piste. Zum Aufwärmen gleich die lange Steigung, an der ich gestern verweigert habe. Die Wetterlage hat sich wirklich umgestellt. Eine leichte Brise aus SSE bringt etwas Nieselregen. Habe die Regenhülle aufgezogen und den Anorak an. War die Landschaft auf dem Weg von Landmannalaugar nach Sigalda von Lavafeldern und schwarzem Sand bestimmt so ist es jetzt eine weite, kuppige Grundmoränenlandschaft. Bis auf ein paar verlorene Steinnelken fast vollkommen vegetationslos, bedeckt von schwarzblauem Kies und grauen, polierten Windkantern. Wie gebleichte Vogelknochen ragen hin und wieder dünne, tote Weidenwurzeln aus dem Steinpflaster. Das Wetter trägt auch nicht gerade dazu bei diese Landschaft fröhlicher aussehen zu lassen. Von der Höhe habe ich einen weiten Blick über den Þórisvatn: 20 km lang und bis zu 7 km breit, Islands größten (Stau-)See. Es geht wieder bergab bis unmittelbar ans Seeufer. Dort angekomen setze ich mich auf einen der großen Felsblöcke aus denen der Damm der Piste aufgeschüttet ist und entlaste den Rücken vom Rucksack. Nehme die GPS Position. Das Wasser im See ist klar und still. Der Nielselregen hat aufgehört. Weiter westlich sind in einiger Entfernung die Markierungen einer Piste zu erkennen, die von SW in die F28 einmündet. Dort steht auch eine schmale, hohe Hütte die fast wie ein Klohäuserl aussieht. Ist es diese winzige Hütte in der Christian E. Hannig 4 Tage lang in einem Sandsturm festsaß und kaum wagte zum See zu gehen um Wasser zu holen (siehe: Christian E. Hannig: "Polarlicht - Radabenteuer in Skandinavien, Island und Grönland", Seite 166)?

Wieder geht es hinauf und dann in einem weiten "S" hinab in das nordwestlich des Sees gelegene Tal des Kaldakvísels. Die Piste quert zwei seiner linksseitigen Zuflüsse. Der erste Bach ist recht hübsch mit einem kleinen Wasserfall und auch etwas "Gewässerbegleitgrün". Eine neu gebaute Brücke. Die Bohlen duften nach frischgesägtem Holz. Die Intensivität mit der ich diesen organischen Geruch wahrnehme verdeutlicht mir erst die Reinheit dieser isländischen Wüstenluft. Dann weiter noch etwa 5 km bis zum nächsten Bach der in der Karte mit einer Furt eingezeichnet ist. Kurz vorher holt mich ein einsamer, schwer beladener Radler ein. Das übliche "Where are you from?" - dann geht die Unterhaltung auf Deutsch weiter. Er ist ziemlich überrascht, als ich ihm erkläre, daß ich hier an diesem Bach bleiben werde. Mein Tagwerk (21 km) ist getan. Es ist zwar erst Mittag, ich bin gut gelaufen, aber in der letzten Stunde hat es sich gut eingeregnet und von hier bis Versalir gibt es keine erreichbare Wasserstelle mehr. Es hat keinen Sinn heute zu versuchen den "verlorenen" Tag wieder hereinzuholen.

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(71 KB)In der Nähe des Kaldakvísls

Mein Bach ist zwar nur einen guten Meter breit, aber hat schöne, moosige Ufer und und etwas Vegetation an seinem Rand. Etwa 150 m oberhalb der Furt finde ich ein schönes Plätzchen für das Zelt. Gerade beim Aufbauen duscht es mal wieder so richtig. Wie immer erst mal ein kurzes Nickerchen, dann einen gemütlichen Tee aus der Thermosflasche und das Tagebuch weitergeführt. Immer wenn die Sonne zwischen zwei Regenschauern herauskommt, schnell nach draußen und den Anorak trocknen - auch eine Nachmittagsbeschäftigung. Gegen Abend dann eine besonders lange Aufhellung, sogar sonnig, dafür etwas frischer östlicher Wind. Spaziergang dem Bach entlang. Etwas weiter bachauf ist eine feuchte Verebnung (ca. 0,5 km²) mit dichtem Pflanzenbewuchs. Eine Staffel Graugänse und zwei Schafe haben hierher gefunden. Dieses Moor erklärt auch den ausgeglichenen Abfluß im Bach. Zum Abendessen Jägertopf mit ein paar Spaghetti verlängert. Anschließend abgespült und auch etwas Körperpflege. Langsam wird mal wieder eine Vollwäsche fällig. Nach einem Schauer wieder weiche Abendsonne auf dem Zelt. Werde noch etwas Lesen und mich dann vom Bach in den Schlaf murmeln lassen.


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13. Tag: Kaldakvísl - Versalir