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Draußen ist es naß. In der Nacht muß es wohl geregnet haben. Der Himmel ist noch bedeckt mit
einzelnen Wolkenlöchern. Leichter Südwind. Kurze 14 km stehen heute auf dem Programm.
Also los.
Der erste Schlag 7 km weglos geradeaus über die Ebene nach Norden zur Brücke. Als Peilpunkt brauche
ich nur auf einen auffälligen Kraftwerksbau am Hang hinter der Brücke zuhalten. Ich verlasse das
kleine Tal der Áfangagil über einen flachen, sandigen Schwemmfächer und komme in ein in schwarzem
Schlackensand ertrunkenes Lavafeld. Zuerst begleiten mich noch mit schütterem Strandhafer bewachsene
Dünen, dann bleiben sie zurück und ich gehe meist über plattige Lava. Die Mulden zwischen den flachen
Rücken sind mit schwarzem Sand gefüllt. Zur Þjórsá hin liegt mehr und mehr heller Bimsstein auf dem
Aschensand. Kreuze die Piste 26 zum Sprengisandur. Schnurgerade zieht sie nach Nordosten. Aus der
Ferne sah ich zwei Fahrzeuge, die eine hunderte von Meter lange Staufahne hinter sich herzogen. Habe
ein schlechte Gehmoral heute. Oft sind es gerade die vermeintlich kurzen Strecken die mehr Motivation
forden als die längeren. Heute macht es keinen Spaß. Einfach dröge die Gegend hier.
Kraftwerkskanal
Ich erinnere mich, daß weiter im westlich, parallel zu dieser Straße, ein zweiter Weg verlief den
ich vor sieben Jahren gegangen bin. Als ich dann 1998 wider hier war, waren dann die Arbeiten an
dem Kanal zum Bjarnalón im vollen Gange.
Ich suche nach diesem Weg und gehe über den spärlich bewachsenen Schlackensand. Auf Höhe der Hütte
Hólaskógur, die nur etwa einen Kilometer weiter westlich liegt, stoße ich dann auf die Piste, an die
ich mich erinnerte. Ein Wegweiser deutet nach Norden zum Háifoss und einer nach Süden zur Gjáin.
Die Piste quert nun ein hügeliges Lavafeld und wird damit etwas abwechslungsreicher. Im Vorbeigehen
werfe ich einen Blick auf die Wasserfälle der Rauðá die in einer Schlucht versteckt sind (daher
der Name Gjáin: "die Schlucht") und
verspreche mir am Nachmittag wiederzukommen. Beim kurzen Abstieg ins Tal der Rauðá überholt mich
nun schon zum zweiten Mal ein Bus mit amerikanischen Rentnern. Bin wieder auf meinem alten Zeltplatz
unter einem Birkengebüsch auf einer kleinen Wiese am Ufer der Rauðá. Direkt gegenüber liegt auf
einem Hügel die Ausgrabungsstätte des Hofes Stöng aus der Sagazeit. Er wurde 1180 nach einem
Vulkanausbruch der Hekla aufgegeben. Seine Überreste blieben unter Bims- und Aschelagen erhalten
und ermöglichen es heute einen Eindruck von der Bauart und Lebensweise auf einem Hof der Sagazeit
zu erhalten. Nach den Funden von Stöng ist dieser Hof einige Kilometer südlich am Skeljafell
rekonstruiert worden.
Gjáin
Rauðá
Die Brücke über die Þjórsá führt nur über ein breites, mit einheitlich dunkelgrauen,
rundgeschliffenen Steinen gefülltes und fast trockenes Flußbett. Wenige hundert Meter weiter ein zweite
Brücke über einen tief in den Fels gesprengten Graben mit dem Ablauf eines neuen Kraftwerks am
Südhang des Bláskógar. Hier fließt also das Þjórsáwasser. Die ganze
nähere Umgebung ist umgepflügt, zerwalzt und planiert. Schüchterne Versuche einer Wiederbegrünung
sind erkennbar, aber
das bißchen Boden, das es hier einmal gab ist verschwunden. Finde einen kleinen aber einigermaßen
naturbelassenen Flecken auf dem ich mich niederlasse und drei Müsliriegel als Mittagessen mampfe.
Finde erste, frühe Heidelbeeren. Sie sind leider noch nicht reif genug, zwar schon blau, aber
noch ohne Geschmack.
Es sieht zwischendurch ernsthaft nach Regen aus. Es bleibt bei einigen wenigen Tropfen. Die Straße (32)
Richtung Búrfell ist geteert und auf mindestens 5 Kilometer schnurgerade. Nur wenige Autos sind
unterwegs. Auffallend der Lärm, den die überbreiten und grobstolligen Geländereifen der
isländischen Superjeeps machen, wenn diese mit durchgetretenem Gaspedal dahindonnern.
Es ist 14:00 Uhr, das Zelt ist eingerichtet und wie üblich lasse ich keine Hektik aufkomen, also erst
mal futtern und das obligatorische Nickerchen. Zwei Stunden später raffe ich mich dann zu einem
ausgiebigen Photospazierang auf. Ich gehe am Ufer der Rauðá hinauf in den Kessel der Gjáin. Von oben
hatte ich schon einen ersten Blick auf die beiden Wasserfälle, deren beiden Bäche sich dann im Grund
der Schlucht zur Rauðá vereinen, aber erst unten entdeckt man die vielen klaren Quellen,
die Höhlen und Steinbrücken. Überall rauscht, gurgelt und plätschert es. Dazu komt noch eine
üppige Vegetation mit Engelwurz, Birken und Weidenröschen. Leider gibt die Sonne nur einige
wenige, minutenweise Gastspiele. Fast zwei Stunden kang durchforsche ich jeden Winkel und immer
wieder durchwate ich den Bach. Auf dem Rückweg finde ich drei schöne, große Birkenpilze. Damit ist
das Menue für heute Abend klar: Spaghetti mit Pilzen und Käsesauce! Am Abend noch kurz die
überdachte Ausgrabungsstätte besichtigt. Leider fehlt hier vor Ort jegliche Erläuterung. Nur am
Parkplatz gibt es eine Infotafel.
Außer meinem Zelt steht nur ein Wohnmobil etwa hundert Meter weiter und von ein paar Birkenbüschen
verdeckt. Gute Vorraussetzung für eine ruhige Nacht. Habe mich nach längerem Zögern doch noch
entschlossen ein Bad in der Rauðá zu nehmen. In einem tiefen Gumpen bei der Brücke bis zu
den Schultern eingetaucht, drei-, viermal tief durchgeatmet und dann blitzartig aus dem
eiskalten Wasser herausgeklettert und abgerubbelt und schnell zurück in den vorgewärmten
Daunenschalfsack. Herrlich!
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