Die ganze Nacht hindurch weiter Regen. Erst gegen Morgen hört es auf. Der Wecker piepst um 6:00 Uhr.
Frühstück, Rucksack zusammenpacken, Zelt abbauen. Alles Routine, gewachsen während vieler Hochlandtouren.
Die breiten Schneeheringe haben ich mit einer Schlinge aus dünner, roten Reepschnur versehen so finde
ich sie schneller im tiefen Schnee. Komme trotzdem erst um 8:30 Uhr los.
Skálafellsjökull
Der Schnee ist weich und wässrig und die Pulka saugt sich fest. Ich versuche
mich zu beeilen, denn vom Meer her zieht eine Nebeldecke den Gletscher herauf und ich habe höchstens
50 Höhenmeter Vorsprung. Es herrscht fast Windstille und es ist 6 °C warm. Ich gehe ohne Jacke. Trotzdem
ist mir warm. In weiten, stufigen Wellen geht es bergauf. Mal flacher, mal steiler. Mit zunehmender Höhe wird der
Schnee feinkörniger und dadurch auch wasserhaltiger. Jeden Hang versuche ich in flach ansteigenden
Traversen zu nehmen. Es geht nur langsam voran. In den Steigungen muß ich alle 50 Meter anhalten und eine
kurze Atempause einlegen. Die Oberschenkel brennen. Hinter jedem Aufschwung taucht die nächste Hangstufe
auf. Selbst in den flacheren Stücken dazwischen muß ich nun Pausen einlegen. Fühle mich ziemlich schlecht
in Form.
Linkerhand habe ich die Randberge des Gletschers hinter mir gelassen und halte westlich auf den Abbruch
zum Kálfadalur zu. Gegen Mittag setzt leichter Schneefall ein. Wieder quere ich mühsam einen langen
Hang hinauf. Schließlich kann ich links vor mir durch Wolken und Schneefall schemenhaft das Talende
des Kálfafelldalur erkennen. Aber irgendwie gibt es da noch ein weitere, mächtige Bergkette die
ich nicht einordnen kann. Erst später wird mir klar, daß es die Esjufjöll sind. Ich biege wieder etwas
nach Osten ab und der inzwischen aufgekommene Wind treibt mir nasse Flocken entgegen. Ich habe in etwa
mein Minimalziel für heute erreicht. Eigentlich wollte ich gestern schon hier sein, aber der Aufstieg
hat zu viel Kraft gekostet. Ich befinde mich in dem Bereich in dem der Skálafellsjökull in das Plateau des
Vatnajökull übergeht. Von hier aus müßte ich einen schönen Blick auf das westlich des Skálafellsjökull
gelegene Kálfadalur und seine Berge haben. Nun schneit es es naß, der Wind nimmt zu und die Sicht wird
schlechter und schlechter.
Um 14:30 Uhr bereite ich einen Platz für mein Zelt. Im Gegensatz zu gestern ist das Innnenzelt nun fast
trocken. Verbringe den Rest des Nachmittags mit Tee trinken, dösen oder lese etwas in meinem Buch.
Nach dem Abendessen macht mir das Wetter ein Freude und klart langsam auf. Der Wind treibt die Wolken
nach Süden und die Sicht auf die Berge der gegenüberliegenden Talseite wird zunehmend frei.
Und was für Berge das sind, die nun auch noch von der Abendsonne angestrahlt werden! Das Tal selbst
bleibt unter einer tiefen Wolkenschicht verborgen. Im oberen Wolkenstockwerk stehen linsenförmige
Föhnwolken. Der Wind hat gut aufgefrischt und zum ersten mal trifft Sonne das Zelt. Ich mache eine
kleine Photoexkursion.
Besuch
Auf einem südlich von mir liegenden Gipfel am Rand des Skálafellsjökull entdecke ich erst zwei
Snowscooter und dann zwei Jeeps, die langsam das Schneefeld hinaufkriechen. Das ist sicher Borgar.
Mein Zelt müßte von dort aus eigentlich gut zu sehen sein. Nach einer gewissen Zeit fahren die
Scooter wieder hinunter zum Gletscher und verschwinden aus meinem Gesichtsfeld. Wenig später
höre ich hinter der
flachen Kuppe östlich meines Zeltplatzes das typische Motorengeräusch und dann auch Stimmen. Schließlich
preschen sie über die Kuppe auf mein Zelt zu. Natürlich sind es Borgar und Björgvin. Zur Feier des
Wiedersehens nippen wir am meinem Whisky. Es reicht auch noch für ein Gruppenbild doch dann müssen
die beiden zurück. Borgar meint noch, daß er versuchen will auch morgen Abend nach mir zu schauen
und dann brausen sie davon.
Abend
Sofort kehrt wieder Ruhe und Stille ein. Als letzte Tat erhöhe ich noch den Windschutzwall den ich
im Luv des Zeltes errichtet habe. Langsam nähert sich die Sonne dem Nordhorizont und wirft ein weiches
Licht auf die Szenerie. Selbst wenn ich morgen schon umkehren müsste - es hätte sich schon gelohnt.
Im Zelt noch an den Aufzeichnungen. Es wird kalt und es ist schon gegen Mitternacht - und immer noch taghell.