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Gérald Favre
Kverkfjöll
Eishöhle
Beim Anziehen meiner Ski habe ich erhebliche Probleme mit dem typischen, gelben, zähen Lehm der sich im
Schuhprofil und um den Bindungssteg festgesetzt hat. Zurück am Zelt koche ich mir einen Topf
Spaghetti. Es beginnt leicht und mit Unterbrechungen zu regnen.
Heute ist wieder mal Ruhetag angesagt. Möchte die Zeit auf dem Vatna noch ein wenig ausdehnen, also bis
8:00 Uhr ausgeschlafen. Nur ein Hauch von Wind aber dafür etwas bewölkt. Nach dem Frühstück Besuch bei
den Schweizern. Ihre Hauptgruppe bricht gerade zum Abstieg auf. Gebe ihnen die Nachricht mit auf den Weg,
daß ich gut und heil über den Gletscher gekommen bin und vorhabe, morgen zur Siguršarskáli abzusteigen.
Dort werde ich dann die Schweizer wiedertreffen. Lese noch etwas im Hüttenbuch. Auch von den beiden,
die im März hier eine Woche auf besseres Wetter für eine Vatnajökullüberquerung gewartet haben und dann
froh waren
wieder abgeholt zu werden. Dann war da noch eine DAV Gruppe Anfang Juni - dem Eintrag nach auch nicht
gerade vom Wetter und guter Sicht verwöhnt. Verbringe den Rest des Vormittages im Zelt und hole die
Aufzeichnungen nach.
Am Nachmittag gehe ich noch einmal zur Hütte hinauf. Dort ist gerade ein Isländer mit seinem Sohn
eingetroffen. Die beiden machen hier eine Pause auf ihrer Tagestour. Während wir uns auf der
"Veranda" sitzend
unterhalten hören wir vom See her ein lautes, anhaltendes Donnern. Unsere Sicht auf den See ist etwas
verdeckt, aber wir sehen gerade noch wie ein riesige Wasserfontäne in sich zusammenfällt. An der südlichen
Eiswand muß es einen großen Eisbruch gegeben haben. Nach etwa 10 Sekunden hat die Flutwelle den See
durchlaufen und brandet an das gegenüberliegende Ufer. Eisbrocken werden hoch auf die Uferböschung
geworfen.
Nachdem die beiden Isländer wider zum Abstieg aufgebrochen sind suche ich im Hüttenbuch noch
nach Hinweisen auf
Skiüberquerungen des Vatnajökulls, die hier vorbeigekommen sind. Seit 1988 habe ich 17 entsprechende
Einträge zählen können - kein Solist darunter. Inzwischen sind drei der Schweizer zurückgekommen. Sie
wollen noch eine Eishöhle in den Hveradalir kartieren. Plötzlich ist Nebel aufgezogen und der See ist
von der Hütte aus zeitweise nicht mehr sichtbar. Ich beschließe den Schweizern zu der Eishöhle zu folgen.
Mit den Ski bin ich mit ein paar Telemarkschwüngen schnell in den Hveradalir. Ein heißer Bach fließt aus
einem schneefreien Gebiet mit vielen Schlamm- und Dampfquellen unter den an dieser Stelle etwa 5 m
hohen, steilen Schneerand. Ich erwische die Schweizer noch bevor sie in die dem Bach folgend in die
Höhle einsteigen und schieße ein paar Photos. Mache noch einen Erkundungsgang durch die nähere Umgebung.
Leider ist es um Photographieren zu neblig und alle Farben verwischen im Grau. Überall faucht und
blubbert es. Nebel und schwefelige Dampfschwaden vermischen sich. In einem Riesentopf köchelt, große Blasen
werfend, blaugrauer Schlamm. Stoße auf die Strandlinien eines Eisrandsees der zur Zeit vollkommen
trocken gefallen ist. Langsam kehre ich zu meinem Skidepot bei der Eishöhle zurück.